Spanien 2013 – 4650 km auf sechs Vespas

Spanien 2013 – 4650 km auf sechs Vespas

Der Reisebericht von der „8 Länder Tour – reloaded“

05. Juli – 21. Juli 2013

8 Länder – 4650 km

Text von Robert Dolliner

 

Tag 0:

Noch sitzen alle im Büro oder sind auf dem Weg nach Hause. Jeder weiß, dass es in wenigen Stunden losgehen wird. Die Vespas sind bereits startklar und unser gemeinsames Equipment ist seit Tagen aufgeteilt und wartet nur noch darauf auf unsere Vespas verpackt zu werden. Jetzt gilt es noch, private Ausrüstungsgegenstände und ganz wichtig, alle Papiere und Dokumente verlässlich verpackt zu haben.

Die Pack Ordnung ist einheitlich. Vorne drauf kommen nur Ersatzteile, hinten drauf unser Gepäck. Serienmäßige Gepäckträger verwenden wir kaum noch, alles ist verstärkt und optimiert.

Das Gepäck wird möglichst wasserdicht verpackt und damit sich nichts selbständig macht, mit Spanngurten nieder gezurrt.
Rammschutz vorne und hinten haben sich schon oft bezahlt gemacht und sind deswegen auch wieder montiert. Erstmals dabei haben wir Zusatzbeleuchtungen, 5 Liter Reservetank auf jeder Vespa sowie auch ein Funksystem. 12 Volt Stromversorgung für Handy und GoPro und zwei fix montierte wasserdichte Navis sind ohnehin obligatorisch.

Aufkleber mit den Notrufnummern für jedes Land und mit der Blutgruppe des jeweiligen Fahrers werden ebenfalls am Beinschild angebracht. Hundertmal geht jeder für sich noch einmal jedes Detail durch und hofft nichts vergessen zu haben.

Tag 1:

Nach wenigen Stunden Schlaf geht es um zwei Uhr früh zum Treffpunkt. Die Vespa fährt sich anfangs ungewohnt. Mit dieser Zuladung vorne und hinten glaubt man zuerst kaum, überhaupt vom Fleck zu kommen.

Wir starten aus mehreren Gründen so früh am Morgen. Einerseits wollen wir bereits am ersten Tag den Weg von der Südsteiermark bis möglichst nahe an Frankreich an einem Tag erledigen und zweitens wissen wir aus Erfahrung, dass wir in der Nacht zuvor so oder so kein Auge zu machen können. Da können wir gleich früher losfahren und gewinnen dadurch Fahrzeit.

In den letzten Wochen haben wir viel Zeit miteinander verbracht. Jetzt wo wir uns aber treffen um loszufahren sieht man sich beim Handshake schon ein wenig tiefer in die Augen. Der Augenblick auf den wir schon seit Monaten warten ist da. Die Sorgen, ob zur Stunde Null wohl alles funktioniert und alle fit sind, haben sich erledigt.

Nach einem Frühstück, einem kurzem Vollständigkeitsappell und einem letzten bzw. ersten Foto starten wir um drei Uhr früh die Motoren.

Man wirft sich gegenseitig noch einen Blick zu und ohne Worte weiß ohnehin jeder was sich der andere denkt:

„Was bitte ist das wieder für einen Idee mit der Vespa auf der Achse von Österreich nach Afrika zu fahren und dann gleich am ersten Tag 900 km Autobahn. Wird das Material halten? Werden wir den wichtigen ersten Tag überstehen?“

Weniger die Sorge, das Tagesziel Cuneo in Piemont nicht zu erreichen quält uns, sondern vielmehr die Sorge, die Autobahn und die teilweise sehr rücksichtslosen Autofahrer zu überleben, bereitet uns Bauchweh. Gerade deswegen wollen wir ja auch mit knapp 100 km/h auf der Autobahn fahren, um nicht ständig von fetten LKW überholt zu werden. Gerade deswegen waren auch die vielen Stunden in der Werkstatt notwendig, um das richtige Setup zu finden, welches in Dreiviertelgasstellung den ganzen Tag über betrieben werden kann.

Das Navi wird noch schnell auf null gestellt und nach einem kurzen Moment geht’s dann endlich los.

In Licht reflektierender Regenmontur rollen wir Richtung Grenze und fahren auf der Autobahn Richtung Laibach. Bereits nach wenigen Kilometern löst sich die Anspannung, die Geschwindigkeit nimmt zu, das Vertrauen wächst. Das eine oder andere Lächeln kann man jetzt schon trotz der Dunkelheit erkennen: „Die 8 Länder Tour „reloaded“ beginnt!“

Wir tasten uns an die 100 km/h heran, relativ knapp aber möglichst versetzt bleiben wir eng beieinander. Mit dieser Geschwindigkeit laufen wir immer den LKW auf und somit sind wir auch immer wieder auf der Überholspur. Das Überholmanöver beginnt immer der Letzte, somit ist der Fahrstreifen gesperrt und alle anderen können unbesorgt den Fahrstreifen wechseln und der gesamte Bulk bleibt beieinander. Ungefähr alle hundert Kilometer tanken wir und machen eine Pause. Als die Sonne über den Horizont klettert, sind wir schon in Laibach, danach geht’s über Nova Gorica nach Italien.

Die Temperaturen nehmen zu und schön langsam legen wir auch die Regenmontur, die uns anfangs gegen die kühle Nachtluft geschützt hat, ab und schwitzen unter unseren Motorrad Jacken.

Die ersten paar hundert Kilometer gehen relativ zügig dahin. Zwischendurch gibt es isotonische Getränke und mitgebrachte Jause von zuhause. Am Pannenstreifen wird mal ein Kerzenstecker getauscht, ansonsten aber gibt es an diesem Tag keine technischen Probleme zu vermelden. Dank unseres Funksystems bleiben wir bei Unterbrechungen dieser Art nah beieinander und können einander im Notfall auch auf der Autobahn helfen.

Der Tag wird dann aber noch richtig lang. Um drei Uhr nachmittags sind wir schon zwölf Stunden am Gerät. Der Rücken, der Nacken, der Arsch, alles fängt schon an zu schmerzen. Die Etappen werden jetzt immer kürzer und die Tankstopps immer länger. Das aber genau ist auch unsere Strategie für diesen Tag. Egal wie weit wir kommen werden, wir nehmen diese Etappe nicht auf die leichte Schulter und gönnen uns auch entsprechend lange Pausen, um wieder Energie zu tanken.

Nach 850 km Autobahn können wir endlich auf einer Landstraße Richtung Cuneo weiter fahren. Die französischen Alpen türmen sich vor uns auf und machen uns schon Appetit auf den nächsten Tag. Zuvor aber checken wir sehr gepflegt in einem feinen Hotel ein und genießen feinste italienische Küche.

Bevor wir zu Bett gehen besuchen wir noch das Stadtfest und feiern die problemlosen 17 Stunden Fahrzeit und die ersten 900 Kilometer.

Tag 2:

Der zweite Tag beginnt mit einer Hiobsbotschaft. Ein enger Verwandter von Wolfgang ist verstorben.

Krisensitzung bei der „8 Länder Tour – reloaded“.

Schnell steht fest, dass ein Weg gefunden werden muss, wie am Begräbnis teilgenommen und danach die Tour vollzählig weitergefahren werden kann. Nach einem kurzen Hin und Her liegt klar auf der Hand, dass ein Flug von Barcelona nach Wien und retour die einzig machbare Lösung sein wird. Da Barcelona aber nicht auf unserer Route liegt, wird kurzer Hand die gesamte Reiseplanung inklusiver täglicher Kilometervorgaben umgeworfen und eine neue Routenführung überlegt.

Genauso mussten wir im Vorjahr nach einem kapitalen Motorschaden bereits am zweiten Tag neu planen. Das aber ist auch der Vorteil unserer flexiblen Reisegestaltung. Absolut keine einzige Unterkunft ist gebucht. In keine Stadt, außer in unsere Zielstadt Madrid, möchten wir unbedingt. Wir fahren dorthin, wohin wir wollen und wohin es die Situation erfordert. Bei uns zählt eben nur das Team. Der Rest ist reine Draufgabe.

Trotz allem sind wir an diesem Tag gut ausgeschlafen und machen uns an die lang ersehnte Alpenüberquerung. Von 500 Höhenmeter aus starten wir mit unserem Autobahnsetup in Richtung Isola 2000, ein französisches Ski Gebiet hinter der Bergspitze Col de Lampard. Die Bergstraße führt uns hier auf eine Höhe von 2350 Meter.

Auf ungefähr 1000 Meter ist aber für viele schon Schluss mit zündfähigem Gemisch und müssen runterdüsen. Diese Pausen nützen einige für eine Schneeballschlacht und die eine oder andere Vespa, um gepflegt abzusaufen. Die Sonne grinst an diesem Tag mit uns um die Wette und so übersehen wir aber auch, wie spät es bereits geworden ist.

Unser Ziel Avignon liegt noch in weiter Ferne und unsere Bemühungen Meter zu gewinnen gestalten sich zunehmend schwieriger. Kleinere Defekte, wie ein rumzickender Benzinhahn, der beim Übergang auf Reserve keinen Tropfen mehr raus lässt, kosten uns an diesem Tag wertvolle Zeit. Speziell beim Bergabfahren ergibt sich im Tank ein Benzinstand, bei dem die Reservefunktion herhalten muss. Da aber die Reservestellung verlegt ist, läuft dieser Motor nur bergab nicht. Bei einer horizontalen Stellung der Vespa läuft der Motor dann wieder problemlos, als wäre nichts gewesen. Ein heimtückischer Fehler. Erst als einem von uns langweilig wird und alle Vespas mit dem Reservekanister nachtankt, löst sich nicht nur das Problem, sondern auch der Knoten in unseren Köpfen.

Das nächste Problem ist dann eine heiß gelaufene hintere Bremstrommel. Kurz vor Nizza machen wir uns an den Tausch dieser Trommel und stellen fest, dass es bereits später Nachmittag geworden ist. Avignon ist noch immer über 250 Kilometer entfernt und unsere Chancen an diesem Tag noch dorthin zukommen sind gering. Aber das ist jetzt auch kein Drama, sondern eher eine Herausforderung für uns, die wir gerne annehmen.

Nach einem kurzen Stück an der französischen Riviera, an Nizza und Cannes vorbei, fahren wir wieder ins Hinterland und durchqueren im Abendrot den Grand Canyon du Verdon – eine absolut traumhafte Strecke mit perfekten, griffigen Straßen und Kurvenfolgen wie im Weltcup-Slalom. Knapp hintereinander und mit ansprechendem Tempo jagen wir der bereits untergehenden Sonne hinterher. In dieser Fahrfreude übersehen wir völlig, rechtzeitig ein Quartier zu suchen.

Danach treffen wir eine Fehlentscheidung und beschließen weitere 30 Kilometer zu fahren, um dort  an einem See in ein Hotel einzuchecken. Unglücklicherweise landen wir mitten in einem Tourismusgebiet und alle Quartiere sind restlos ausgebucht. Wir fahren dann, bereits bei absoluter Dunkelheit und im Regen, in die nächste Stadt und werden wieder enttäuscht. Zu unserem großen Bedauern bekommen wir nun auch nichts mehr zu essen und so muss der letzte Not Proviant von zuhause herhalten.

Daraufhin suchen wir uns einen ruhigen Platz für die Nacht. Zum Glück ist der Regen vorbei und so finden wir auf einem abgelegenen Fußballplatz unter unserem ersten französischen Sternenhimmel doch noch unsere Ruhe. Obwohl wir den ganzen Tag am Hobel waren, uns und den Vespa nichts geschenkt haben und obendrein nichts zu essen bekamen, haben wir unser Tagesziel um 150 Kilometer verfehlt.

Es war nicht unser Tag, dennoch wird er uns mit seinen landschaftlichen Highlights noch lange in Erinnerung bleiben.

 

Tag 3:

Die Nacht war kalt, feucht, hart, ungemütlich und kurz. Kreuz und quer liegen wir auf dem Fußballplatz von Riez herum.

Eine Gruppe war besonders schlau und hat es sich auf dem Asphalt gemütlich gemacht. Recht sollten sie behalten, da der Asphalt die ganze Nacht über die tagsüber gespeicherte Wärme abgab. Die anderen machten es sich auf der Vespa, auf einer Parkbank und in der Wiese gemütlich. Nichts davon erwies sich im Nachhinein als besonders gewieft. Um sechs Uhr morgens ist dann Schluss mit der Qual und wir machen uns vom Acker, bevor uns noch jemand entdeckt. Wildes Campieren ist auch in Frankreich nicht gerne gesehen.

In der nächsten Stadt frühstücken wir dann bei McDonalds und machen uns ein wenig frisch. Ebenso liefern wir unseren täglichen Bericht in die Heimat ab. Die Karte wird studiert und gemeinsam stecken wir uns ein neues Tagesziel. Noch immer haben wir keine Informationen aus Österreich bekommen, wann das Begräbnis stattfinden soll. Deswegen wählen wir Narbonne. Von dort aus sollte dann Andorra oder direkt Barcelona als nächstes Etappenziel möglich sein.

Dieser Tag hat es in Sich. Es ist richtig heiß und unser Ziel liegt irgendwo hinter Montpellier. Extra weit umfahren wollen wir diese Metropole auch nicht und so wählen wir den kürzesten Weg der Küste entlang, mitten durch dieses Ballungszentrum. Je näher wir nach Montpellier kommen, umso schwieriger werden die Verhältnisse. Die Straßen sind rutschig, die Luft ist heiß und schmutzig und es ist sehr viel Verkehr. Durch stundenlanges Kreisverkehrfahren, Raufbeschleunigen und Abbremsen entwickelt sich dieser Tag zu einem richtigen Arbeitstag. Zwischendurch denken wir an unsere Kupplungen, an die Bremsen oder an die Reifen, alles beanspruchen wir an diesem Tag bis zum Äußersten.

Trotzdem hält alles durch. Kein einziger Zwischenfall bremst uns an diesem Tag und deswegen erreichen wir dann auch planmäßig nach 320 km unser Tagesziel Narbonne. Nach dem verpatzten zweiten Tag ist es für alle eine große Erleichterung wieder auf Kurs zu sein.

Beim Abendessen und bei einem großen Bier können wir dann endlich unsere Reise weiterplanen. Wie erfahren von zu Hause, dass das Begräbnis erst in drei Tagen ist.

Tag 4:

Montag, es ist der vierte Tag der Reise. Wir erreichen an diesem Tag bereits unser viertes und fünftes Land – Andorra und Spanien. Wir überqueren die Pyrenäen und lassen Frankreich hinter uns.

Landschaftlich war Südfrankreich wirklich fantastisch, kulinarisch können uns die Franzosen aber nicht überzeugen. Ein flachsiges Steak, dazu ein Bier um 7 Euro in einem einfachen Hotelrestaurant laden nicht ein Wiederzukommen. Auf der anderen Seite ist das ja auch schon  alles was wir in Frankreich zu Essen bekamen. Die restliche Zeit saßen wir ja auf der Vespa.

Unser Plan sieht vor, am vierten Tag bis knapp vor Barcelona zu kommen. Dienstagabend schon soll der Flieger in die Heimat abheben und den Flughafen wollen wir möglichst mit einer entsprechenden Zeitreserve erreichen. Leider wird dadurch die geplante Nacht im Steuerparadies Andorra gestrichen. Als Ausgleich aber kommen wir nach Barcelona und können einen Tag an einem Strand im Süden der Stadt verbringen. Bis wir aber die Füße in den Sand stecken können, müssen wir noch die Pyrenäen überqueren und insgesamt 550 Kilometer fahren.

Perfekt ausgeschlafen und gut gefrühstückt geht es endlich raus aus der Stadt, weg von der Küste ins Inland, wo uns hoffentlich schönere Straßen und viel Landschaft erwartet. So ist es auch! Es geht stetig bergauf, die Bedüsung wird wieder angepasst, Fotos und Videos werden gemacht. Es läuft alles wie am Schnürchen, bis wir in einer abschüssigen Rechtskurve in einem Baustellenbereich einen Ausrutscher haben.

Vier Vespas, relativ langsam aber knapp hintereinander fahrend, passieren diese Stelle. Auf der Straße liegt feiner Sand und jeder kämpft darum die Balance zu halten. Alle schaffen das auch, bis auf den Letzten, und schon schlittert die Vespa seitwärts Richtung Betonleitwand.

Der Fahrer schlägt hart am Asphalt auf und zieht sich dabei eine stumpfe Verletzung an der Schulter zu. Abschürfungen bleiben dank der Ausrüstung aus. Zum Glück ist auch kein Gegenverkehr, und so gibt es auch keine Unfallbeteiligten und keine angerichtete Schäden. Die Schmerzen in der Schulter halten sich danach noch mehrere Tage. Die Schäden an der Vespa können aber an Ort und Stelle provisorisch, aber völlig ausreichend, repariert werden.

Erst als sich wieder alle beruhigt hatten, die Unfallstelle fotografiert und den Schutzengeln gedankt wurde, fahren wir weiter.

Trotz der verlorenen Zeit durch den Unfall, nehmen wir uns die Zeit, um auch einmal bei einem gepflegten Bierchen mit Ausblick auf die Pyrenäen abzuspannen. Die Temperaturen sind perfekt, unsere Sommermotorradjacken halten uns ausreichend warm und so ist dieser Tag, abgesehen vom Unfall, wirklich “entspannend“. Ohne große Anstrengungen erledigen wir eine Etappe um die Andere, der Schmäh läuft, die Laune ist bei allen wieder Weltklasse.

Einen Bergpass nach dem Anderen bezwingen wir spielerisch. Rauf auf 1500, runter auf 700, rauf auf 1800 und wieder runter. Der Grenzübergang zu Andorra liegt auf knapp 2000 Meter! Landschaften zu denen uns nur Adjektive wie „monumental“ und „atemberaubend“ einfallen, lassen wir staunend hinter uns.

Eines unserer beiden Navigationsgeräte zeigt schon seit der Grenze zu Frankreich nur mehr Luftlinienverbindungen an. Ein Funktionierendes und unser detailliertes Kartenmaterial reichen aber aus, um ohne Umwege den Weg nach Andorra zu finden. An der Grenze wird es dann tatsächlich etwas frischer und hinter uns verdunkelt sich der Himmel. Offensichtlich will da jemand, dass wir unsere Regenmontur testen.

Wer schon einmal in Andorra war, der kann es bestätigen, es ist seltsam hier. Entweder fährt man die Bergstraße rauf auf 2450 Meter, auf den höchsten, ganzjährig befahrbaren Bergpass Europas und danach runter, auf 1500 Meter Richtung Andorra la Vella oder man gönnt sich für € 2 eine Durchfahrt durch den neu errichteten Tunnel Richtung Hauptstadt.

Andorra, einst bekannt als Steuerparadies, bietet auch für uns so einige Vorzüge. Essen, Getränke und Sprit, so günstig wie bei uns vor zehn Jahren. Im Allgemeinen fühlen wir uns so wie damals in Tarvis, nur, dass es keine Lederjacken gibt. Hier gefällt es uns sehr und wir können uns nur schwer von den vielen Leckereien, die hier in Restaurants und Märkten angeboten werden, trennen.

Es ist bereits späterer Nachmittag, der Himmel wird immer dunkler und die ersten Regentropfen sind schon zu spüren. Am Tacho haben wir an diesem Tag schon 300 Kilometer und ungefähr 150 sollen es noch werden. Je näher wir heute an Barcelona heran kommen, umso leichter sollten wir es dann morgen haben. Die Regenmontur wird bei der Tankstelle bereits angelegt und wenig später ist es dann auch schon so weit. An der Grenze zu Spanien beginnt es sintflutartig zu regnen.

Jetzt weichen wir von unserer ursprünglich geplanten Route ab. Zaragossa wird uns nicht zu Gesicht bekommen. Wir steuern bei Regen mit starkem Zug direkt Richtung Barcelona.

Die Regentropfen sind so schwer, dass sie wie Hagelkörner auf unserem Helm und unserer Brust aufschlagen. In dieser Situationen gibt es keine Geschenke mehr. Alle sind voll konzentriert und jeder ist darauf bedacht ja nicht irgendwo noch wegzurutschen. Unsere Zusatzbeleuchtungen und Funkgeräte sind voll im Einsatz. Wir wissen, dass jeder Meter den wir heute noch schaffen, morgen Gold wert ist. Zwei Stunden quälen wir uns ab, bis der Regen endlich nachlässt. Billige Regenbekleidung hätte dieser Beanspruchung vermutlich nicht standgehalten. In unserem Fall aber ist alles trocken geblieben.

Durchs zeitweise offene Visier sind wir unterm Helm nass geworden, doch dieser Geschmack vom frischen Regen, kombiniert mit dem Duft der heißen Motoren, schmeckt nach Freiheit pur.

Wir fahren an diesem Tag noch ein Stück in den Osten, Richtung Küste bis nach Ripoll, wo wir uns dann für diese Nacht in einem exklusiven, privat geführtem Hotel niederlassen. Zuvor ruhen wir uns aber noch an der Tankstelle bei einem gepflegten Cerveza aus der Dose aus, und lassen die letzten hundert Kilometer Revue passieren. Ein Eingeborener unterhält uns, indem er uns alles Mögliche auf Spanisch erklärt. Wir verstehen zwar kaum ein Wort, seine Gesten reichen aber völlig aus. Wir amüsieren uns köstlich.

Tag 5:

Am nächsten Morgen, sehen wir zum Frühstück im spanischen Fernsehen Berichte über Stierkämpfe aus dem ganzen Land und den Wetterbericht. Die Prognosen für die nächsten Tage sehen nur mehr Hitze und Sonnen vor. Speziell im Raum Sevilla soll es tropisch heiß werden. Nach der Kälte vom Vortag ist uns das nur Recht.

Nach einem Fototermin mit der Hotelbesitzerin machen wir uns daran die letzten 150 km bis nach Barcelona zu fahren. Dementsprechend gehen wir es in Ruhe an. Wir kommen aus dem Norden und der Flughafen liegt südlich von Barcelona. Noch ein Stück weiter südlich wissen wir von einem Campingplatz, den wir dann auch ins Visier nehmen. Die City umfahren wir großzügig. Ein Großstadtgemetzel mit der Vespa wollen wir uns an diesem Tag nicht antun. Unser Ziel ist einzig und allein, alle Vespas am Campingplatz sicher abzustellen und das unser Kollege mit dem Taxi rechtzeitig zum Flughafen kommt.

Trotz der sehr kurzen Tagesetappe kommen wir erst um 16 Uhr beim Campingplatz an. Direkter Meerzugang, Restaurants und Supermärkte, ausreichend Platz vor unserem Bungalow zum Schrauben, es ist alles da. Den Flughafen erreicht unser Kumpel mit einer Zeitreserve von einer Stunde. Als sein Flugzeug über unseren Campingplatz Richtung Heimat fliegt, sitzen wir bereits am Strand und gönnen uns ein kühles Getränk.

Die Abendgestaltung ist dann zweigeteilt. Der jüngere Teil der Gruppe macht die Rambla in Barcelona unsicher, während es die „alten“ am Campingplatz gemütlicher angehen.

Tag 6:

Als wir aufwachen, ist es zehn Uhr Vormittag. Das Begräbnis zuhause müsste bereits voll im Gange sein. In zwei Stunden sollte unser sechster Mann bereits wieder auf dem Weg nach Wien sein, um sein Flugzeug zurück nach Spanien zu bekommen. Wir haben aber noch den ganzen Tag vor uns! Und das gefällt uns sehr.

Als erster Tagesordnungspunkt steht gepflegtes Reifenwechseln am Programm.

In den letzten fünf Tagen sind wir 2000 Km gefahren und das Profil auf unserem Raceman ist schon mehr eckig als rund. Vorne hingegen ist er praktisch wie neu.

So machen wir uns daran alle Reifen durch zu tauschen.Kleinere Anpassungen an Gepäcksträger und an der Packordnung werden vorgenommen, Seilzüge werden nachgestellt. Wir sehen unser ganzes Material, das wir dabei haben, durch und müssen uns selbst wundern.

Zum Vorschein kommt: ein kompletter Lusso Motor angepasst an Polini Überströmer, drei nagelneue Polini Zylinder 208 mit angepassten GS Kolben, einen angepassten Zylinderkopf, eine gelippte verschweißte Langhub Kurbelwelle, zwei Stück ovalisierte SI-Vergaser, einen Sip Road Auspuff, CDI´s, Zündungen, Lagersätze, Simmeringe, Bremsbeläge, Kerzenschuhe, Getriebeöl, Schrauben, Muttern, Kleinteile, Kabeln und Klemmen, Hauptbremszylinder, Gasrohre, Schaltrohre, Radlager vorne, Dämpfer für vorne und hinten und natürlich jede Menge Werkzeug inklusive einem Gaslötgerät für jeden erdenkbaren Eingriff.

Zuhause spielten wir in Gedanken jede denkbare Situation durch und entsprechend haben wir uns auch ausgerüstet. Wir wissen aber auch, dass uns ein geknicktes Lenkrohr, ein gebrochener Lenkerkopf oder ein defekter Rahmen stoppen würde. Aber so weit darf es nicht kommen.

Unser Ölvorrat wird überprüft, die Getrenntschmierer füllen Ihre Behälter auf. Ein Pipe-Design Auspuff wird durch eine Sip-Road ersetzt. In der Rechtskurve berührte der Krümmer immer wieder den Asphalt.

Der restliche Tag gestaltet sich dann außerordentlich gemütlich. Wir relaxen, kochen und essen und warten, bis wir endlich wieder vollzählig sind. Um 18 Uhr ist es dann soweit. Unser sechster Mann ist wieder da. Jetzt gibt es Party!

Tag 7:

Eigentlich wollten wir schon um sieben Uhr morgens aufbrechen, daraus wurde aber nichts. So ziemlich jeder hat einen Kater und davon abgesehen, sieht es rund um unseren Bungalow aus wie auf einem Schlachtfeld. Da eigentlich niemand genau weiß was los war, erledigen wir die Säuberungsarbeiten wortlos. Zu tun gibt es genug, immerhin gilt es möglichst ordentlich den Platz zu verlassen, um unsere Kaution wiederzubekommen.

Es ist neun Uhr bis wir endlich losrollen. Total steif und verspannt vom Rumliegen nehmen wir die ersten hundert Kilometer raus aus der Stadt Richtung Westen. Dieser außerplanmäßige Erholungstag am Strand war lange genug, wir sind jetzt wieder richtig heiß aufs Vespafahren. Immerhin sind wir nur mehr zwei Tage von unserem großen Ziel Madrid entfernt. Recht bald überqueren wir den Ebro und fahren rauf auf die spanische Hochebene.

Die nächsten Tage werden wir auf einer Höhe von 1000 Meter und mehr verbringen.

Wir navigieren auf Nebenstraßen quer durchs Land. Die Kombination konventionelle Landkarte mit Navigationsgerät erweist sich wieder einmal als perfekt. Wir stecken uns kurze Etappen am Navi, das Hauptziel für den Tag halten wir aber stets auf der Karte im Auge.

Zwischen Barcelona und Madrid liegen in etwa 600 Kilometer, das entspricht der Luftlinie zwischen Eisenstadt und Bregenz. Zudem bewegen wir uns immer weiter weg vom sicheren Hafen Barcelona. Im Hinterkopf fährt dieses Bewusstsein schon mit, denn sollte jetzt was passieren müssen wir zurück an die Küste. An diesem siebten Tag unserer Reise tauchen wir schon ganz tief ins spanische Inland ein.

Unsere Reise wird mittlerweile auch von spanischen Vespa Clubs und Vespa Freunden beobachtet. Aus vielen Teilen des Landes bekommen wir immer wieder über Facebook Grüße bestellt und gegebenenfalls auch Hilfe zugesagt. In Zaragossa, in Sevillia, in Madrid und in Valencia hätten wir praktisch auf Knopfdruck Unterstützung in Form von Ersatzteilen, Unterkunft, Rat und Tat. Das wirkt im Gesamten schon beruhigend auf uns.

Aber es läuft wieder alles perfekt, die Motoren laufen wie Nähmaschinen, die Reifen sind wieder wie neu, das Gepäck und einfach alles rund herum funktioniert tadellos. Wir können ordentlich Kilometer machen.

Einzig die Verpflegung in dieser dünn besiedelten kargen Gegend lässt zu wünschen übrig. So ernähren wir uns, als wir den Nullmeridian überfahren, von Cracker mit Olivengeschmack, garniert mit übrig gebliebenem Ketchup vom Campingplatz. Kein kulinarisches Highlight, aber unvergesslich. Jedoch können wir uns auch ein wenig später von der spanischen Gastfreundschaft überzeugen. Absolut normal ist es in Spanien, dass zum Bier automatisch auch etwas zu Essen kommt. Aber nicht einfach was zum Knabbern, ganz im Gegenteil. Nachos oder Calamari in dieser Qualität möchten wir hier bei uns zumindest einmal für Geld bekommen.

Wir verlassen die Provinz Aragonien und erreichen am späten Abend La Mancha, die Heimat von Don Quijote und Sancho Pansa. Im feinen Örtchen Molina de Aragon lassen wir uns in der Casona de Santa Rita nieder und genießen ein feines Essen, die gute Luft und unser weiches Bett.

An einer Rally muss dann doch noch am Vergaser geschraubt werden, der Füllstand in der Schwimmerkammer variiert ohne erkennbaren Grund. Der Schwimmerkammerdeckel wird prophylaktisch gegen einen Modifizierten getauscht. Getestet wird aber nicht mehr.

Es ist 10 Uhr abends, wir waren 12 Stunden ohne nennenswerte Pausen unterwegs und erledigten 410 Kilometer. Wir liegen nur mehr einen Katzensprung vor der Hauptstadt Spaniens. Die 180 Kilometer morgen sollten doch zu schaffen sein.

Unser morgiges Tagesziel steht noch nicht wirklich fest. Klar ist, dass wir zum Santiago Bernabeu Stadion fahren wollen und unsere Ankunft in Madrid mit reichlich Fotos dokumentieren wollen. Wie es dann weitergehen soll, wollen wir dann je nach Lust und Laune entscheiden.

Tag 8:

Trotz der enormen Hitze tagsüber kühlt es in der Nacht angenehm ab. Bei offenem Fenster brauchen wir schon alle Decken um nicht zu frieren. Die kühle Luft bereitet uns aber auch eine sehr erholsame Nacht.

Nach einem ausgiebigen Frühstück fahren wir rauf zur Burg von Molina de Aragon. Nicht jeder findet auf Anhieb den richtigen Weg zur Burg. Ein zu steiles Stück mit zu wenig Anlauf auf unwegsamen Gelände ist dann aber für ein Kurbelwellenlager zuviel. Ein Axialspiel der Kurbelwelle ist die Folge. Der Lagerschaden ist so gewaltig, dass die Kupplung um einige Umdrehungen nachgestellt werden muss. Wir stellen zwar fest, dass der Schaden nicht gleich behoben werden muss, der Ärger über das unnötige Handicap am Gerät ist trotzdem da.

Dennoch genießen wir die Aussicht auf die am Fuße des Berges liegenden Stadt und der dahinter liegenden Hochebene von Spanien. Nach einer spektakulären Fotosession setzen wir uns über FB mit unserem Kontakt aus Madrid in Verbindung.

Zu unserer Überraschung erhalten wir sofort eine Antwort und eine Reihe von Unterkunftsvorschläge für jede Geldbörse im Anhang. Auf ein 4 Sterne Hotel im Studentenviertel in der Nähe von Daniel´s Wohnung, unserem FB Freund, fällt unsere Wahl. Um 50 Euro fürs klimatisierte Doppelzimmer inklusive Frühstück kann nicht viel verhaut sein.

Das aber ist dann auch schon der angenehme Teil des Tages gewesen.

Die kühle Luft wird sehr schnell durch eine brütende Hitze ersetzt, die sich mit der heißen Luft die uns aus der Stadt entgegenströmt noch multipliziert. Wie in jeder südländischen Stadt, sei es Rom oder Athen, es ist immer derselbe Wahnsinn auf den Straßen.

Madrid hat 3,2 Millionen Einwohner. Wer hier nicht mit Hilfe der Autobahn ins Zentrum vordringt verzweifelt am Stop and Go Verkehr in den Randbezirken.

Wir fahren am Nachmittag auf einer sehr stark befahrenen vierspurigen Autobahn ins Zentrum von Madrid.

Wenn sich hier die Gruppe verliert dauert es lange bis wieder alle sechs zueinander finden. Noch haben wir den Gedanken nicht zu Ende geführt, da hören wir auch schon am Funk, dass es Probleme gibt. Einer, nämlich der Schlussmann selbst, fehlt. Auf einer Sperrfläche, nicht viel breiter als eine Vespa warten wir zu fünft bis wir wieder vollzählig sind. Der frisch verbaute Vergaser vom Vortag zickt auch herum, oder ist dem Pinasco einfach zu heiß?

Vollzählig reihen wir uns wieder in die Blechlawine ein und sind heilfroh endlich die Ausfahrt zu erreichen. Viel Routine und starke Nerven sind in dieser Situation entscheidend. Die Schwierigkeit beziehungsweise das Kunststück dabei ist eine Gruppe an untermotorisierten kleinen Fahrzeugen heil durch diesen rücksichtslosen Berufs und Schwerverkehr zu bringen und dann auch noch ohne Umwege ans Ziel zu kommen. Durch unsere Routine und unsere Gelassenheit gelingt es uns auch diesmal.

Danach geht es Schlag auf Schlag. Wir fetzen von einem Kreisverkehr zum Anderen, können es kaum erwarten endlich am Ziel zu sein. Kurz darauf stellen wir dann auch schon am achten Tag nach 2600 km unsere Vespas vor dem Haupteingang des Bernabeu Stadions ab.

Das Ziel ist erreicht: Madrid 2013, ist eigentlich nur ein Zwischenziel aber dennoch eine verdammt wichtige erste Etappe auf unserer Reise.

Es ist ungefähr fünf Uhr nachmittags als wir mit der Fotosession fertig sind. Laut Navi liegt unser Quartier nordwestlich, ein Stück außerhalb vom Zentrum. Mit einem Riesen Hunger und einem noch viel größerem Durst und einer perfekten Party Laune nehmen wir die letzten 20 Kilometer quer durch Madrid.

Direkt neben unserem Hotel liegt ein schickes Restaurant mit netter Bedienung. Ohne einzuchecken gönnen wir uns ein Belohnungsbier und feiern unsere Ankunft.

Kurz darauf lernen wir dann auch Daniel persönlich kennen. Wir alle verstehen uns auf Anhieb. Daniel stellt uns für unsere Vespas seine Tiefgarage zur Verfügung. Dabei zeigt er uns voller Stolz seine Vespasammlung. Er stellt uns seine Familie vor und teilt sein letztes Bier mit uns.

Am Abend zeigt er uns Madrid. Nicht genug damit, dass wir an diesem Tag mit der Vespa durch „die Hölle“ fuhren, marschiert er mit uns gefühlte 100 Kilometer durch die Stadt!

Er überhäuft uns mit Stickers, Pins und Aufnäher vom Madrider Scooterclub. Er zieht mit uns von einem Lokal zum Nächsten. Überall gibt es Bier und natürlich auch was zu Essen. Um drei Uhr früh ist dann für einen Teil von uns der Tag endlich vorbei. Zwei von uns aber machen noch einen drauf, wohlwissend, dass sie am nächsten Tag nicht ausschlafen können.

Tag 9:

Der Tag nachdem wir unser Ziel eigentlich schon erreicht haben ist da. Jetzt gilt es wieder nach Hause zu kommen. Unser Schiff für die Rückreise nach Genua könnten wir auch in Barcelona erwischen. Als wir aber zuhause im Reisebüro erfuhren, dass das Schiff aus Marokko kommt und wir dort auch einchecken können war schnell klar, dass wir uns den Spaß machen und nach Afrika fahren. Wenn wir schon die Zeitzonen und die Klimazonen wechseln können, können wir ja auch mal den Kontinenten wechseln.

„Wer war schon mit der Vespa in Afrika!?“

Aus dieser verrückten Idee entwickelte sich dann unsere Reise und jetzt stehen wir hier:
2600 Kilometer von zuhause entfernt, Fahrtrichtung weiterhin Süden.

Zwischen Madrid und dem südlichsten Zipfel von Spanien liegen knapp 700 km. Wieder müssen wir durch dünnbesiedeltes Gebiet, durch Nationalparks und durch Hunderte Kilometer Olivenhaine. Speziell auch für diesen Abschnitt haben wir eigentlich unsere Reservekanister dabei.

Nach dem Frühstück gehen wir um neun Uhr zu Daniel und holen die Vespas. Wir bedanken uns für seine Gastfreundschaft und für seine Unterstützung. Er fotografiert uns, damit er bei seinen Freunden mit uns angeben kann. Es passiert ihm auch nicht so oft, dass er von österreichischen Vespafahrer besucht wird.

Wir alle, im speziellen zwei von uns sind an diesem Morgen nicht wirklich fit. Deswegen gehen wir es entspannt an, fahren anfangs kurze Etappen und gönnen uns immer wieder Pausen. Dadurch kommen wir auch nicht wirklich viel weiter. Da wir aber gut in der Zeit liegen haben wir auch keine Sorgen unser Schiff nicht zu erwischen, wir haben ausreichend Reserve.

Die Temperaturen sind auch an diesem Tag gewaltig. Wir haben uns aber bereits daran gewöhnt. Die Vespa mit dem Lagerschaden meldet sich immer öfter mit Zündaussetzer und mit Temperaturproblemen. Der Sip Tacho kann zwar nur die Zylinderkopftemperatur anzeigen, eine Temperatur von 165 Grad ist dann aber auch an der Kerze recht hoch. Später stellt sich heraus, dass der Schwung am Pick-Up der Zündung touchierte und dadurch die Fehlzündungen und Aussetzer zustande kamen. Aufgrund dieses Umstandes verringern wir nochmals die Geschwindigkeit was der müden Mannschaft aber nur zu Gute kommt. Trotz der Hitze denkt niemand daran seine Jacke auszuziehen, der Dreck und der Sand der hier überall herumgeweht wird ist keine verlockende Alternative zum eigenen Schweiß.

Die Straßen sind schnurgerade.

Viele Stunden geht es so dahin, wir fahren von Horizont zu Horizont.

Nach dem Essen am späten Nachmittag gönnen wir den Nachtschwärmern im Schatten eines Olivenbaumes ein Nickerchen.

Mit frischer Energie geht es dann in den zweiten Teil des Tages, 250 Kilometer sind noch abzuspulen, der Nationalpark Andujar mit 130 Kilometer Länge ist auch noch zu durchqueren. Dieser Tag ist dann noch richtig genial. Wir erleben traumhafte Strecken mit fantastischer Landschaft, praktisch ohne Verkehr. Gezählte 5 Autos kommen uns im Nationalpark entgegen!

Schmale Straßen, enge Kurven, das ist Fahrfreude pur! Auf dem gesamten Streckenabschnitt gibt es keine Tankstelle, keine Ortschaften, einfach nichts. Wer hier hängenbleibt der kann schon mal sein Zelt aufschlagen und hoffen, dass die Wölfe schon ihr Abendessen hatten.

Die Stadt Andujar liegt auf der Höhe von Cordoba und ist unser Tagesziel.

Wir erreichen um halb zehn, noch bei  Tageslicht, mit leeren Tanks die Stadt. Ein nettes Hotel ist schnell gefunden und nach einem kurzen Stadtrundgang und ein paar wenigen Cervezas geht es ins Bett. Morgen sollten wir in unser siebtes Land auf dieser Tour kommen.  Gibraltar!

 

Tag 10:

Mittlerweile sind wir schon 10 Tage unterwegs. Erst an einem Tag sind wir nicht gefahren, an dem einen Tag in Barcelona. Auch heute soll es wieder ein ordentliches Stück Richtung Süden gehen. Vorgesehen ist die Provinz Andalusien zu durchqueren, an Ronda vorbei und bis nach Gibraltar zu fahren, wo wir in dieser Nacht bei den Briten schlafen wollen. Uns belustigt der Umstand mit der Vespa in den Süden zu fahren und trotzdem auf britischem Hoheitsgebiet zu sein. Zuvor aber liegen noch knappe 400 Kilometer vor uns.

Gut ausgeschlafen aber viel zu spät starten wir in einen trüben bewölkten Vormittag. Entgegen aller Erwartungen ist es kühl im Süden von Spanien. Pullover und Jacken tragen wir bis Mittag, erst danach zeigt sich die Sonne. Die Anstrengungen der letzten Tage ist uns allen ins Gesicht geschrieben, kleinere Wehwehchen gibt es schon bald bei jedem. Von Durchfall über Rücken und Gelenkschmerzen bis hin zu entzündeten Wunden ist alles dabei was unseren Sani freut. Immerhin haben wir Verbandsmaterial, Medikamente und Cremen in Hülle und Fülle dabei.

 

Wieder müssen wir durch einen Nationalpark um auf direkten Weg an die Küste zu kommen. Der Tag ist geprägt von langen einsamen Streckenabschnitten und der ständigen Sorgen ausreichend Sprit dabei zu haben. Wenn nur ein Reservekanister nicht voll ist haben wir schon ein ungutes Gefühl. Aber es geht alles gut und wir erreichen am späteren Nachmittag Algeciras, von wo aus wir den „Rock of Gibraltar“ sehen können. Als hätte den Felsbrocken irgendjemand verloren, so liegt er da auf dieser Halbinsel. Am Berg oben da hocken die Affen und rundherum ist alles voll Briten. Irgendwie ist das schon eigenartig aber passend.

Bei der Einreise nach Gibraltar kommt dem Officer schon ein Lächeln aus wie er uns da voll bepackt mit österreichischen Pässen ankommen sieht.
Recht flott aber genau werden unsere Papiere geprüft und dann macht er auch schon den Weg frei für uns. Wir fahren auf der Winston Churchill Avenue ein Stück Richtung Halbinsel und müssen nach hundert Meter wieder an einem Schranken halten. Es sieht so aus als würde jetzt ein Zug einfahren aber dem ist nicht so. Vor unserer Nase setzt ein Linienflugzeug auf.

Das Rollfeld vom Flughafen von Gibraltar verläuft quer zur Hauptstraße. Deswegen muss auch der Verkehr gesperrt werden. Für einen eigenen Flughafen haben sich die Engländer schon was einfallen lassen. Für uns ist das natürlich eine Riesenaufregung. Als sich die Schranken öffnen fahren wir über die Landepiste ins Zentrum von Gibraltar.

Wie bereits beschrieben, die Insel besteht hauptsächlich aus dem einem Felsen.
Im Westen ist das Zentrum, da sind die Hotels, die Banken und Restaurants. Im Osten hingegen ist gerade mal Platz für eine Straße. Unser Navi führt uns ständig in Sackgassen und so verlassen wir uns dann auf unser Gefühl und finden dann doch noch ein Hotel für die Nacht.
Unsere Unterkunft ist nicht wirklich etwas Besonderes, dafür aber teuer. Das Teuerste auf der ganzen Reise. Unser Abendessen ist dann auch recht britisch. Mehr als eine aufgemotzte Fertigpizza ist nicht zu bekommen und das Bier ist warm.

Nach einem kurzen Spaziergang, einem Besuch in einer Matrosenkneipe und nach einem Stromausfall der die halbe Insel lahm legt schlendern wir zurück ins Hotel. Insgeheim hoffen wir keine Krabbeltiere im Bett zu haben, wie bereits angedeutet, besonders sauber ist es nicht.

Tag 11:

Am elften Tag dann, ist es soweit. Wir werden mit unseren Vespas Europa verlassen und nach Afrika fahren. Natürlich mit der Fähre. Wir hätten auch die Möglichkeit direkt von Gibraltar überzusetzen aber wir entscheiden uns dann doch dafür von Tarifa aus nach Marokko zu reisen.
Zuvor aber ist noch Sightseeing in Gibraltar angesagt. Klarerweise wollen wir auch mit den Vespas auf den Fels fahren um den weltberühmten Berberaffen einen Besuch abzustatten. Sehr zutraulich und neugierig, so erleben wir diese Geschöpfe.

Eine Legende besagt, dass solange die Berberaffen auf Gibraltar leben, solange bleibt die Insel auch britisch. Das diese Tiere somit einen ganz besonderen Status einnehmen ist daher auch verständlich.

Vom Felsen aus haben wir eine wunderbare Aussicht. Wir könnten von hier aus weit auf das Meer hinaus sehen, doch hüllen uns gespenstische Nebelschwaden immer wieder ein. Die Stadt, der Hafen und der Airport kann aber von hier oben aus genau studiert werden. Das der Anflug auf einen der gefährlichsten Flughäfen der Welt für einen Airliner nicht so einfach ist können wir ebenfalls hautnah miterleben. Die Querwinde und der kurze Final haben hier schon öfters für Aufregung im Cockpit und am Tower gesorgt.

Kurz bevor wir aufbrechen wollen, entdecken wir noch ein U-Boot wie es von zwei Schiffen in den Hafen begleitet wird. In 10 Sekunden haben wir es ausdiskutiert, dass wir an den Hafen fahren. So ein britisches Atom U-Boot muss man aus der Nähe gesehen haben.
Am Hafen sind wir aber nicht alleine. Dort stehen schon andere Schaulustige und versuchen einen Blick zu erhaschen. Das Boot aber legt an der gegenüberliegenden Mole an und so können wir kaum Details erkennen. Man sieht aber die Matrosen darauf rumlaufen und dadurch können wir uns ein Bild von der enormen Größe dieses Kriegsgerätes machen.

Als wir da so unsere Freude haben spricht uns eine gut aussehende Frau an und erkundigt sich woher wir kommen.
Sie stellt sich als Journalisten vom Gibraltar Chronicle vor und interviewt uns an Ort und Stelle. Sie wundert sich nicht wirklich darüber, dass wir nach Marokko fahren wollen. Das macht sie auch immer wieder, auch übers Wochenende. Dass wir aber mit so einem „small motorcycle“ von Österreich bis nach Gibraltar gefahren sind, fasziniert sie sehr. Und zwar so sehr, dass sie uns verspricht, dass wir am nächsten Tag die Headline vom Gibraltar Chronicle zieren werden.

Danach machen wir uns auf den Weg nach Tarifa. Wir wissen, dass die Fähren stündlich auslaufen und haben deswegen auch keinen Stress. Wieder in Spanien ist es schön an der Küste entlang zu fahren. Leider können wir keine Zeit in Tarifa verbringen, gerade einmal für ein Getränk reicht die Zeit und schon legt unser Schiff ab.
Mit 53 km/h brauchen wir gerade mal 35 Minuten und wir haben die Straße von Gibraltar überquert.

Leichte Nervösität macht sich breit.
Das Ausfüllen von Einreisepapieren und die strengen Blicke der marokkanischen Beamten sind wir bisher nicht gewohnt.

Als wir dann mit 50 Kollegen von der Fernfahrerbranche das Schiff verlassen, begrüßen wir den schwarzen Kontinenten mit einem Mega Hup Konzert. Die Vorfreude endlich mit der Vespa afrikanischen Boden zu befahren ist riesengroß. Beim Losrollen schießt uns das Adrenalin in die Adern als würden wir einen Bungeejump machen.

Die Umgebung und das Licht ist anders als wir es gewohnt sind. Alles ist braun und staubig. Wir landen direkt in einem Zollabfertigungsbereich wo fleißige Herren sehr bedacht darin sind unsere Gruppe gleich in zwei Dreiergruppen aufzuteilen.

Männer ohne Uniform, nur mit einem Namensschild ausgestattet fordern uns auf, Ihnen unsere Pässe auszuhändigen. Sie würden uns dabei helfen die Papiere auszufüllen. Zuerst wehren wir uns dagegen, dennoch nehmen wir wenig später ihre Hilfe an.

Der Schranken ist unten, der drei Meter hohe Zaun ist fest verschlossen. Wir fürchten, dass wir ohne Ihre Hilfe im Zollabfertigungsbereich hängen bleiben.

Kaum haben Sie unsere Pässe, schon halten sie auch die Hände hin. Fünfer, Zehner und Zwanziger wechseln ihre Besitzer. Jeder von uns wird „abgezockt“. Dann müssen die ersten drei von uns zur Polizei um die Reisepässe für eine erstmalige Einreise nach Afrika in ein Register einzutragen. Dafür müssen wir in ein Gebäude und an mehreren Polizeisperren vorbei. Niemals hätten wir dort alleine hin gefunden. So sind wir dann schon froh Hilfe zu haben.

Danach geht es schnell und wir drei schieben unsere Vespas raus ins Freie. Unsere Kameraden aber sind noch am Anfang der Prozedur und warten bis sich jemand um sie kümmert. Der Herr, der uns ins Freie begleitet, macht uns deutlich, dass noch etwas zu bezahlen ist, damit unsere Kollegen auch raus können. Diesmal aber will er dann einen Fünfziger von uns. Widerwillig leisten wir diesen Obolus und wie durch Zauberhand sind alle Formalitäten erledigt und wir sind wieder komplett.

Schnell machen wir uns startklar und verlassen Tangar.
Wir steuern Richtung Süden, am Atlantik entlang. Wir fahren auf einer schön ausgebauten Schnellstraße und halten an einer Tankstelle an um die Karte zu studieren. Wir stellen auch gleich unsere innere Uhr um eine Stunde nach hinten, somit haben wir Zeit gewonnen. Es ist erst 18 Uhr.

Wir vereinbaren nach Ashila zu fahren, einer am Atlantik gelegenen Stadt.

Beim Einfahren ins Zentrum von Ashila sorgen wir für Aufsehen. Einige Menschen wollen uns aufhalten um mit uns zu sprechen, als hätten sie uns etwas Wichtiges mitzuteilen. Wir aber bleiben nicht stehen und versuchen unser Glück etwas außerhalb der Stadt.
Die Hotels sind aber allesamt ungepflegt und somit nicht wirklich einladend. Deswegen fahren wir zurück in den Ort und lassen uns dort auf die Einwohner ein. Einem jungen Burschen namens Ahmed schenken wir dann unser Vertrauen. Er setzt sich auf einen Sozius und mit ihm gemeinsam scheppern wir dann durch die Gassen von Asilah zum Hotel seiner Verwandten. Mehrmals befürchten wir, dass das keine gute Idee war. Die Gegend wird nicht besser, die Häuser nicht gepflegter. Als wir dann aber doch an einem schön renovierten Haus Halt machen sind wir erleichtert.

Ein einfaches gepflegtes Hotel, ohne Frühstück um € 90 für alle sechs ist einmal ein Angebot. Es gefällt uns und wir checken ein. Unsere Vespas verstauen wir bei einem anderen Verwandten von Ahmed. Hinter einem eisernen Tor und hohen Mauern, können wir für eine Maut von € 2 pro Vespa unsere Fahrzeuge sicher für diese Nacht abstellen. Zumindest vertrauen wir auf Ahmed und auf unserer Menschenkenntnis.

Da wir einen Riesenhunger und Durst haben bitten wir Ahmed uns in ein gutes Restaurant zu führen.

Das tut er auch. Dort bekommen wir Fisch und Fleisch vom Allerfeinsten. Wir trinken Casablanca Bier und freuen uns über den glücklichen Ausgang. Unserem Guide geben wir natürlich eine entsprechende Maut und er verspricht uns, nach dem Essen wieder für uns da zu sein um uns die Stadt zu zeigen.

Mit ihm als Fremdenführer genießen wir nicht nur eine Stadtführung der speziellen Art sondern stehen auch unter seinem Schutz. Jeder, der es auch nur wagt uns von der Seite her anzusprechen, wird von Ahmed wild gestikulierend verjagt. Immerhin sind wir sein Geschäft des Monats.

Daraufhin marschieren wir durch die Stadt und bekommen viele interessante Orte zu sehen und Geschichten zu hören. Ahmed, springt herum, begrüßt jeden den er kennt mit einem Kuss, einer Umarmung oder einer Verneigung. Er ist wie ein bunter Vogel auf Crack. Dass er das auch wirklich ist, finden wir erst später raus.

Zum Abschluss des Abends trinken wir mit ihm einen marokkanischen Minztee und er raucht einen Joint. Alkohol gibt es zu Ramadan nicht, deswegen gibt es für uns auch nur heißen süßen Tee. Wir wundern uns nur darüber, dass es zum Essen sehr wohl Bier gegeben hat.

Dieses Extra war aber auch nur speziell für uns. Wir begreifen erst jetzt, dass das Restaurant extra für uns öffnete. Wir wunderten uns noch, warum wir die einzigen Gäste waren. Das alles hatten wir ihm zu verdanken.

Ahmed bringt uns zurück zum Hotel und wir gehen zu Bett. Hundemüde wie wir sind schlafen wir bald ein und fühlen uns auch sehr wohl in unserem spärlichen aber gepflegten Quartier. Kurz vor Sonnenaufgang lernen wir lautstark noch eine besondere Tradition der Muslime kennen. Die Ramadan Trommler trommeln durch die Straßen von Asilah, um den Gläubigen den richtigen Zeitpunkt für ihr Frühstück kundzutun.

Ihre religiösen Gesetze sehen ja vor, dass sie von Sonnenaufgang bis zum Untergang nicht Essen und Trinken dürfen. Entsprechend müssen sich die Strenggläubigen auch schonen und dürfen deswegen auch nicht arbeiten. Der Trommler in unserer Straße gibt sein Bestes, in dem Moment sind wir uns nicht sicher was hier wirklich vorgeht. Das bizarre Trommeln ist noch zu hören, da sind wir schon wieder so gut wie eingeschlafen.

 

Tag 12:

Ein Frühstück ist nicht zu haben. Unser Hotelier quält sich aus seiner Pritsche und gibt uns unsere Papiere zurück. Er wirkt müde und ein wenig frustriert, als hätte er die ganze Nacht kein Auge zugetan. Na klar, hat er ja auch nicht. Immerhin nützen die Leute hier im Fastenmonat die Nacht um ein wenig zu Leben und Spaß zu haben. Tagsüber ist ja gepflegtes Ruhen angesagt.

Wir haben schnell unsere Sachen beieinander und beraten uns, wie wir den letzten Tag bevor wir zur Fähre müssen verbringen wollen. Wir haben praktisch erst den zweiten Tag der gesamten Reise vor uns an dem wir nicht zwingend Kilometer machen müssen.

Wir haben die Möglichkeit noch einen weiteren Tag mit Ahmed zu verbringen, der mit uns an den Strand gehen würde. Wir würden dort trotz Ramadan ausreichend Essen und Trinken bekommen. Doch entscheiden wir uns dafür, 70 km weiter an die Mittelmeerküste zu fahren, an einen Strand von dem wir wissen, dass wir dort Jet Ski fahren können.

Ahmed hätte uns aber liebend gern noch einen weiteren Tag betreut, immerhin waren wir großzügig zu ihm. Trotzdem ist er weiterhin sehr hilfsbereit, er bringt uns zurück zu unseren Vespas und nach einem kurzen aber herzlichen Abschied verlassen wir die Stadt am Atlantik.

Mit dem Gefühl, dass wir uns am Heimweg befinden, geht es zurück in den Norden. Wir sind noch keine 24 Stunden in Afrika, aber es geht uns schon ganz gut damit. Die positive Erfahrung mit Ahmed hat uns unsere Befürchtungen genommen in Marokko Schwierigkeiten zu bekommen.

Auf einer gut ausgebauten Autobahn fahren wir nach Tangar Med und begutachten unseren Terminal von wo aus wir einen Tag später Richtung Heimat ablegen werden.

An der spanischen Enklave Ceuta vorbei kommen wir nach Fnideq. Hassan der Zweite hat hier ganze Arbeit geleistet. Auf einer nach ihm benannten Straße fahren wir der Küste entlang. Zwei Spuren in jede Richtung, gesäumt von satten grünen Wiesen und Fahnenmasten auf denen stolz marokkanischen Fahnen im Wind wehen. Eine Ferienanlage nach der anderen lässt uns hoffen, dass wir hier einen schönen Tag verbringen werden.

Wir sehen uns schon an der Strandbar sitzen, die Füße im Sand, ein eiskaltes Getränk in der Hand und die Sonne auf unseren Bauch scheinen.

Beim Einchecken ins Hotel denken wir noch: „OK, da ist nicht viel los“.

Als wir aber am Strand sind trauen wir unseren Augen nicht.

Er ist Menschenleer! Voller Verzweiflung laufen wir zu einer Strandbar. Die ist ebenso verlassen. An dem Fleck an dem der Kühlschrank offensichtlich seinen Platz hatte steht nichts. Eine verlassene Steckdose ist Zeuge von besseren Zeiten. Da sind die Gesichter schon lang und der Gaumen trocken.

Einzig die Jet-Ski Betreiber versehen ihren Dienst. Die haben sogar einen Kühlschrank, prall gefüllt mit Fanta und Cola. Schnell schütten wir das süße Zeug rein, doch der Durst bleibt.

Nach einer Runde mit dem Jetski, verlassen wir diesen traurigen Strand und kehren zurück in unser Quartier. Mittlerweile haben wir Hunger. Es ist fünf Uhr am Nachmittag und wir sitzen mit Fischdosen und Cracker bewaffnet am Balkon und haben eine traumhafte Aussicht auf das Mittelmeer. Der Hotelmanager hat Mitleid mit uns und spendiert uns eine Flasche Rotwein, die wir uns brüderlich teilen.

Kurz vor dem Sonnenuntergang erwachen dann langsam die Bewohner des Hotels und machen sich bereit fürs Gebet. Am Parkplatz wird eine Fläche von 100 Quadratmeter mit Teppichen ausgelegt und ein provisorischer zwei Meter hoher Zaun trennt die Frauen von den Männern. Aus Lautsprechen dröhnt das Gebet und hunderte Gläubige nehmen daran teil.

Wir sitzen ein Stück weiter vor einem Restaurant an einem Tisch und genießen unseren Burger. Dazu trinken wir schon wieder Cola. Wir spazieren danach durch den Ort und beobachten, wie um elf Uhr abends die Geschäftsleute tatsächlich ihre Läden öffnen und sich erwartungsvoll auf einen Stuhl davor setzen. Das Leben findet hier wirklich in der Nacht statt.

Tag 13:

Wir können lange Schlafen. Das tun wir auch. Frühstück haben wir hier wieder keines zu erwarten, so rollen wir nach Fnideq zurück. Zu unserer Überraschung ist hier einiges los. Auf der Hauptstraße herrscht reges Treiben.
Es ist Markttag und alle möglichen Waren werden feilgeboten. Wir fahren mit unseren schwer beladenen Vespas durch die Menschenmassen. Wir sind den Leuten völlig egal, kaum jemand beachtet uns. Wir sind ebenfalls entspannt und haben mittlerweile auch keine Berührungsängste mehr.

An einer Bäckerei machen wir Halt und genießen marokkanische Köstlichkeiten serviert von marokkanischen Schönheiten. Hier schlagen wir uns zuerst mit pikantem und danach mit süßen Bäckereien die Mägen voll. Von irgendwo her hören wir einen Muezzin sein Gebet singen während praktisch in jedem zweiten Haus eine Autowerkstätte untergebracht ist, wo eifriges Hämmern und Schrauben zu beobachten ist.

Als wir wieder losfahren haben wir Riesen Glück und können einen Unfall gerade noch vermeiden. Nur durch ein geschicktes Ausweichmanöver kann ein Crash mit einem Ape Verschnitt verhindert werden.

Kurz vor Tangar Med wollen wir nochmal die Vespas mit billigem Sprit auftanken und uns mit Bargeld eindecken. Alles nicht so einfach in diesem Land. Danach besuchen wir einen Markt. Dieser Markt hier ist grundsätzlich nichts für ein sensibles westeuropäisches Magerl. Fleisch, Fisch und Milchprodukte werden hier bei 35 Grad im Schatten ohne Kühlung angeboten.

Am Fleisch sitzende Fliegen werden mit Kuhschweifwedeln verscheucht. Zwischen dem Fisch und dem Fleischer kann der modebewusste Marokkaner gepflegt zum Frisör gehen. Und das tut er auch. Wir hingegen decken uns mit Brot, Wasser und Fischdosen für die bevorstehende Seereise ein.

Hier spielt sich alles auf engstem Raum ab und nichts scheint irgendwie organisiert zu sein –  bis auf den Straßenverkehr!
Jeder Kreisverkehr wird hier von drei Gendarmerie Beamten geregelt. Polizei, Gendarmerie und privates Sicherheitspersonal ist hier immer und überall.

Mit viel Zeitreserve erreichen wir den Hafen und checken diesmal ganz ohne fremde Hilfe ein. Gern würden uns die Jungs von der Zollabfertigung beim Ausfüllen der Papiere helfen. Denen lassen wir aber keine Chance und erledigen alle Formalitäten selbst.
Nachdem unsere Vespas samt Gepäck mit einer improvisierten mobilen Röntgenanlage durchleuchtet wurden, dürfen wir 5 Stunden warten bis endlich der Weg auf das Schiff freigemacht wird.

Um 22 Uhr werden unsere sechs Vespas, hunderte voll beladene Transporter und jede Menge LKW´s verladen und verzurrt. Genüsslich nehmen wir die Schlüssel unsere Quartiere entgegen und sind äußerst zufrieden damit.

Mit viel Verspätung legen wir um zwei Uhr früh Richtung Barcelona ab, eine achtundvierzig stündige Schiffsreise liegt vor uns.

Tag 14:

Heute können wir wirklich solange schlafen solange wie wir wollen. Wer gar nicht aufstehen will, der muss auch nicht. Irgendwann um drei Uhr nachmittags sind wir erstmals vollzählig. Uns fehlt es an nichts.
Der mitgebrachte Proviant, bestehend aus Brot und Fischdosen schmeckt uns und den Wein aus dem Dudy Free Laden, den können wir auch warm trinken. Das kleine Heinecken kostet auf diesem italienischen Seelenverkäufer immerhin € 4,50. Somit ist gekühltes Bier nicht das Begleitgetränk für unser fünfzehnstündiges Kartenspiel.

 

Tag 15:

Die lange Fahrt in den Süden rächt sich jetzt durch die lange Fahrt in den Norden. Wir sind noch immer mit der Fähre unterwegs.
Nicht genug damit, dass wir ohnehin schon sechs Stunden hinter dem Zeitplan liegen, dreht unser Kapitän, gerade als wir Barcelona verlassen wollen, mit dem fetten Fährschiff am Hafenausgang noch einmal um.

Der Grund ist uns recht schnell klar. Einer der hochschwangereren muslimischen Frauen hat ihren Entbindungstermin um einen Tag vorgezogen und sich entschlossen in Spanien und nicht in Italien ihr Kind zur Welt zu bringen. Unserer Meinung nach könnten das die Herrschaften schon ein wenig besser planen.
Nach der Übergabe an die spanischen Sanitäter geht es unser Kapitän dann recht flott an und mischt das Hafenbecken so richtig auf.
Mittlerweile liegen wir aber schon mehr als 8 Stunden hinter dem Zeitplan. Natürlich fehlen uns diese Stunden für die Heimreise von Genua nach Leibnitz.

Der restliche Tagesablauf ist vergleichbar mit dem vom Vortag und ist relativ einfach gestaltet. Er besteht aus Schlafen, Essen und Kartenspielen.

Tag 16:

Mittlerweile schlafen wir bereits die dritte Nacht auf See, unser Quartier hat sich wirklich bezahlt gemacht. Das monotone Brummen der Schiffsmotoren wirkt beruhigend, selten haben wir so gut geschlafen.
Um 8 Uhr früh verlassen wir sechs mit mindestens tausend Marokkanern die Fähre und lassen Genua hinter uns. Eine 130 km lange Bergstraße in Richtung Piancenza weckt unsere müden Geister.

In einem kleinen Bistro gönnen wir uns ein Frühstück und obwohl wir noch fast achthundert Kilometer von der Heimat entfernt sind fühlen wir uns wie zuhause.

Es ist kalt, das sichere Gefühl aber wieder in Europa zu sein, macht diesen Umstand wett.

Der Tag ist dann noch sehr lange und sehr mühsam. Technische Mängel machen sich rundherum bemerkbar. An der PX, die schon in Südspanien immer wieder mit Fehlzündungen für Aufsehen sorgte, fällt der Lichtstrom zur Gänze aus und die Fehlzündungen häufen sich auch. Da kein Kabel irgendwo abgegangen war liegt der Fehler wohl an einer aufgegangen Lötstelle auf der Grundplatte. Wir nehmen uns aber nicht die Zeit das Ding zu tauschen.

Wenig später wird bei einer anderen PX die hintere Bremstrommel locker und bei einer Rally macht der Kupplungsdruckpilz aufgrund des heißen Öls Quietschgeräusche. Die Bremstrommel wird festgezogen und quietschend geht es weiter.

Wir quälen uns südlich an Venedig vorbei um dann zwischen der Lagunenstadt und Jesolo in Richtung Norden an tausenden im Stau stehenden Autos vorbeizufahren. Es hat hier 42 Grad im Schatten. Wir haben auf unseren Vespa an diesem Tag nichts zu lachen. Mit den frustrierten Urlaubern in den Autos will dennoch keiner von uns tauschen.

Kurz bevor die Sonne untergeht kehren wir, in Turrida, östlich von Udine, in einem Hotel mit Restaurantbetrieb ein und genießen das letzte Mal auf unserer Reise ausländisches Flair bei Pizza, Pasta und Vino Rosso.

Dieser sechzehnte Tag hatte es wahrlich in sich. Wir fuhren in 13 Stunden 510 Kilometer an einem der heißesten Tage unserer gesamten Reise. Reifen und Kupplungen werden jetzt langsam müde.

Wir haben aber nur mehr einen Tag vor uns, nicht viel mehr als dreihundert Kilometer liegen vor uns und davon die Hälfte durch Österreich. Deswegen machen wir uns auch keine Sorgen und gehen zu Bett.

Tag 17:

Am frühen Morgen schon wird dann doch noch nachgesehen warum der Druckpilz so quietschte. Es kann aber keinerlei Verschleiß festgestellt werden und so wird nur frisches Getriebeöl gefüllt. Am Navi steht der Kilometerzähler auf 4300 und für den heutigen Tag berechnet es dann doch noch mal rund 350 km dazu.

Da wir alle zeitig zuhause sein wollen, gehen wir es auch flott an. Immerhin ist morgen für alle ein Arbeitstag!

Die eine PX ohne Licht wird in den Tunnels in die Mitte genommen. Nach einer kurzen Kaffeepause in Tarvis fahren wir weiter auf der Bundesstraße, südlich am Wörthersee vorbei, quer durch Klagenfurt in Richtung Lavamünd.
Immer auf der Hut vor den Radarkästen und den Lasergeräten der heimischen Exekutive. Es wäre nicht das erste Mal, dass wir am letzten Tag, auf den letzten Kilometer durch Österreich noch mal ordentlich zur Kassa gebeten werden.

Von unterwegs aus geben wir  unseren Freunden zuhause bekannt, dass wir um 15 Uhr in Leibnitz ankommen werden. Für einen kleinen Empfang sollte gesorgt sein.

Beim allerletzten Tankstopp fällt die Entscheidung über die Soboth und nicht über den Radlpass in die Steiermark zu kommen. Das erweist sich eine halbe Stunde später, wie wir in Oberhaag einen Zylinderschaden an der Rally mit dem Pinasco haben, als falsch. Selbstverständlich quälen wir unsere Vespa mit Vollgas über diese letzte Hürde, für den Alu ist es aber eine zu viel. Dieser Zylinder war vor der Reise nicht neu. Im Vorjahr schon leistete er Erstaunliches auf unserer Tour über den Balkan nach Athen. Spanien und Afrika waren für ihn auch kein Problem. Die Soboth gibt ihm aber den Todesstoß. Ein Ausbruch am Überströmer sorgt dafür, dass die Kolbenringe beschädigt werden und nicht mehr verdichten können.

Jetzt nach über 4600 Kilometer bekommen wir endlich etwas zu schrauben? Jetzt können wir endlich unser schweres Werkzeug und unsere mitgeschleppten Ersatzteile brauchen? Dazu hat jetzt aber wirklich keiner mehr Lust und ein Blick auf die Uhr verrät uns, dass wir in 20 Minuten zuhause von unseren Freunden und Familien erwartet werden. Eine PX mit GG-Polini wird vor die Rally gespannt, und so geht es im Konvoi die letzten Meter Richtung Spitzwirt.

Der Empfang unserer Freunde freut uns sehr. Doch bevor wir uns zu ihnen setzen, und uns den Fragen und den erstaunten Blicken hingeben, machen wir noch schnell unser letztes Gruppenfoto.

Mit dem eigenartigen Gefühl, plötzlich nicht mehr unter uns zu sein, sitzen wir am Tisch. Nachdem wir jetzt mehr als zwei Wochen Tag und Nacht miteinander verbrachten, wissen wir jetzt auch, dass das nächste Ziel kein Gemeinsames mehr sein wird.

Am Ende unseres 17-tägigen Abenteuers durch halb Europa bis nach Afrika und 4650 gefahrenen Kilometer steht einerseits die Freude, dass alle wieder gesund nachhause gekommen sind, andererseits aber auch viel Wehmut. Das war dann auch genau das Gefühl vor dem wir uns schon beim Losfahren gefürchtet haben.

Die „8 Länder Tour – reloaded“  ist vorbei.