Tag 1 – auf dem Weg nach Livorno zur Fähre
Nach kurzen Startschwierigkeiten noch vor der Abfahrt wegen einer defekten Banjo Dichtung beim Vergaser hat zu unserer Überraschung alles tadellos funktioniert. Wir sind ohne großen Stress von Leibnitz 500 km auf der Autobahn direkt nach Ferrara gefahren. (Ursprünglich war das 80 km nordwestlich gelegene Padua als Ziel angedacht gewesen.)
Wer sind wir? Wir sind drei vespabegeisterte Brüder. Robert, Thomas und Richard mit zwei ebenso vespaverseuchten Freunden, Christopher und Klaus. Wir sind gemeinsam unterwegs nach Sardinien. Unsere Reise ist auf 10 Tage angesetzt. Wir haben zwei Fähren gebucht. Eine von Livorno auf die Insel nach Olbia und die zweite welche uns vom nördlichen Hafen Porto Torres nach Genua bringen soll. Die restlichen Tage sind bis auf eine Motorboot Tour noch nicht verplant.
Die vier neuen Motoren funktionieren tadellos und haben ihrer Feuertaufe bestanden. Mein alter Malossi Motor, der auch in den Vorjahren schon mit von der Partie war, hält auch brav das Tempo mit.
Ein Thema hatten wir dann doch noch. Auf der Höhe von Padua, wirft Christopher so nebenbei in die Runde, Blinker habe er schon länger nicht, mittlerweile kein Licht und auch keinen funktionierenden Tacho mehr. Aber solange wir bei Tageslicht ankommen, sollte es kein Problem sein, meint er. So tiefenentspannt kennen wir ihn gar nicht. Trotzdem versuchen wir noch an der Tankstelle das Problem zu beheben. Mit dem Multimeter messen wir direkt am Ausgang der Zündung eine Spannung, jedoch nur wenn die Zündung nicht an der Fahrzeugelektrik angeschlossen ist. Das alles deutet auf einen Kurzschluss irgendwo am Kabelstrang der Vespa hin. Wir unternehmen einige Versuche dem Fehler auf die Spur zu kommen, jedoch ergebnislos.
Jetzt aber beenden wir den Versuch das Problem zu lösen, nehmen die „defekte“ Vespa in die Mitte unseres Geschwaders und fahren die letzten Kilometer nach Ferrara.
Wir werden versuchen die Ursache für den Ausfall der Elektrik morgen früh festzustellen und natürlich auch zu beheben. Eines wissen wir immerhin schon, an der Zündung liegt es nicht.
Am Abend haben wir direkt in Ferrara eine Dachgeschoss Wohnung bezogen und werden jetzt die Altstadt besichtigen und danach auch noch Essen gehen.
Ab morgen fahren wir nur mehr einfache Straßen über Florenz, Pisa bis nach Livorno, wo morgen Abend unsere Fähre wartet.
Tag 2 – Strecke zu kurz – was nun?
Der Tag beginnt wie der letzte geendet hat. Nein, nicht wie jetzt vielleicht viele vermuten mit einem Bier, sondern mit der Fehlersuche bei der PX. Irgendwo legt ein Kurschluss die gesamte Elektrik lahm.
Zuerst prüfen wir den Spannungsregler. Batterie und Batteriehaltung wird demontiert und den Spannungsregler ersetzen wir provisorisch mit einem mitgebrachten Ersatzteil. Fehlanzeige!
Jetzt wollen wir die Kaskade und zuvor den Gepäckträger mit allem Drum und Dran abbauen, um an die Steckerleiste heranzukommen. Dann aber kommt vom Fachmann der entscheidende Hinweis. „Baut doch die Lenkerkopfabdeckung ab!“
Kaum hatten wir die Abdeckung locker gemacht, funktionierte wieder alles.
Mit freiem Auge ist kein aufgescheuertes Kabel zu sehen, deswegen lockern wir den Kabelsalat und verbauen vorsichtig die Abdeckung. Alle Lichter leuchten wieder, selbst die Batterie liefert wieder Strom. Problem gelöst!
Wie der Titel dieses Tagesberichtes schon verrät, ist uns die heutige Tagesetappe einfach zu kurz. Es sind nur 175 km bis nach Livorno. Nehmen wir die direkte Strecke, Bologna – Florenz – Livorno, erleben wir wenig Neues, hätten aber viel Tagesfreizeit und würden unser Tagesziel, Livorno, mit ausreichend Zeitreserve erreichen.
Oder, wir verlassen die direkte Route und machen einen schönen großen Umweg und kommen auf eine Tagesetappe von 300 km.
Auf der gedachten Strecke fahren wir nach Maranello zum Ferrari Museum, danach über eine 120 km lange Bergstraße durch Abetone auf 1400m Seehöhe nach Lucca in der Toskana. Von dort aus liegt auch Pontedera, die Geburtsstätte der Vespa, ganz in der Nähe.
Diese Idee gefällt der Truppe und nachdem alles gepackt und verstaut ist, verlassen wir um zehn Uhr vormittags Ferrara in Richtung Modena.
Unsere Garmin Navis, wissen nichts von, aufgrund von Baustellen, gesperrten Straßen. Es dauert nicht lange und eine Straßensperre bremst unseren Enthusiasmus.
Umdrehen und eine Alternative nach Modena zu suchen erscheint uns im ersten Moment die beste Idee zu sein.
Ein Einheimischer verrät uns aber, dass trotz der Bauarbeiten für Motorräder (damit hat er unsere Vespas gemeint) ein Befahren des Begleitweges kein Problem sein wird.
Mit dieser Information machen wir uns auf den Weg und sparen uns bestimmt 10 km Umweg. Heiß ist es sowieso, jetzt kommt auch noch der Staub dazu und es dauert tatsächlich nicht lange und eine der Vespas läuft nicht mehr. Zuerst nimmt sie nur unregelmäßig das Gas an, wenig später geht sie gar nicht mehr.
Aus der Erfahrung der letzten Wochen mit defekten Anbauteilen für die Vape tippen wir auf eine abgebrochene CDI-Halterung. Nachdem die Seitenbacke herunter war, war alles klar. Die CDI baumelt an den Kabeln und der Kerzenkabel war rausgezogen.
Mit Kabelbinder fixieren wir die CDI und ein zusätzliches Massekabel montieren wir bei der Gelegenheit auch.
Die Kollegen von der Baustelle informieren uns noch über die Richtung nach Modena und ein Einheimischer bietet uns seine Hilfe an. Typisch italienisch, alles kein Problem.
Wir verlassen wenig später die Offroad Strecke und fahren auf der verbliebenen, noch nicht sanierten Straße weiter in Richtung Modena. In der nächsten Ortschaft biegen wir bei der ersten Tankstelle ein, um zu tanken und um die Vespas durchzuschauen.
Wenig verwunderlich, ist auch bei zwei anderen Vespas diese Halterung gebrochen und beide werden ebenfalls mit Kabelbinder repariert. Nur eine dieser ominösen Halterungen hat es überlebt, die originale Halterung für die Ducati CDI blieb davon ohnehin völlig unbeeindruckt. Made in Italy!
Südwestlich von Modena liegt Maranello, die Heimat von Ferrari, Maserati und Co. An einer Kreuzung geben wir gerne von links dem Ferrari und von rechts einem Lamborghini die Vorfahrt. Ein durchaus seltener Anblick.
Wo man hinblickt, sieht man Werksmitarbeiter mit ihren roten Ferrari-Overalls, Ferrari Fahnen und gelbe Ferrari Schriftzüge auf den Gebäuden.
Vor dem Ferrari Museum machen wir am Red Carpet ein Gruppenfoto.
Ein kurzer Blick auf das Navi und uns wird klar, wir müssen los. Gleich bei Maranello beginnt der Apennin. Eine 120 Kilometer lange, extrem kurvenreiche Straße trennt uns von unserem nächsten Etappenziel: Lucca.
Das Navi berechnet eine Fahrzeit von ca. 3 Stunden.
Nach der gestrigen Autobahnfahrt, der heutigen Offroad Strecke, testen wir unsere Vespas jetzt auf dieser Bergstrecke mit hunderten Kurven. Trotz unserem schweren Gepäck sind wir sehr wendig und mit den Scheibenbremsen auf den PX‘n können wir uns ein flottes Tempo erlauben.
Wir fahren stetig bergauf bis nach Abetone auf 1390 Meter bei nur mehr 16 Grad und treffen dort Samuel und seinen Kumpel vom Vespa Club Monsummano Terme.
Um halb fünf nachmittags erreichen wir Lucca und spazieren ein wenig durch die Stadt. Die meisten Lokale haben um diese Zeit geschlossen. An einer Cafeteria bekommen wir unsere Getränke und wenig später verlassen wir Lucca in Richtung Pontedera.
Wir lassen es uns nicht nehmen und statten dem Vespamuseum einen Besuch ab. So gesehen unser zweiter „Museumsbesuch“ an diesem Tag. Ein Pflichtermin für uns Vespistis.
Das obligatorische Gruppenfoto vor dem Museum wird erledigt und weiter geht’s nach Pisa! Ein Foto mit dem schiefen Turm, mit unseren Vespas und uns fünf Burschen das wäre schon was.
Da wir in der Nähe sind und Pisa auf unserem Weg liegt, es „erst“ halb sieben am Abend ist, machen wir diesen Abstecher. Wir stellen die Vespas vor dem schiefen Turm in Reih und Glied auf und lassen uns in voller Montur fotografieren. Das wird bestimmt ein Foto fürs Album, soviel steht jetzt schon fest.
Gerne wären wir etwas länger in Pisa geblieben und hätten jeden von uns ein Bierchen gegönnt. Aber wir haben den Tag bis aufs letzte ausgereizt und unsere Fähre wartet nicht auf uns. Um zwanzig Uhr beginnt das Beladen der Fähre und das wollen wir nicht riskieren zu versäumen. Es sind zwar nur noch 20 Kilometer bis nach Livorno, aber wir wissen, der Defektteufel schläft niemals.
Wenige Kilometer später wird unsere Fahrt wieder durch eine Straßensperre blockiert. Wir entscheiden schnell und nehmen ein Stück Autobahn, um die Sperre zu umfahren.
Um Punkt zwanzig Uhr fahren wir in den Hafen ein und haben es geschafft.
Am Bistro im Hafen, gönnen wir uns schnell zwei Bier! Eines für die Nerven und das zweite gegen den Durst.
Unsere Fähre, die Moby Fantasy wurde erst vor zwei Jahren in Dienst gestellt. Sie ist brandneu, alles ist super sauber und gepflegt. DJ Fantasy macht voll auf Party – wir bestaunen das Spektakel – eine Stunde später schlafen wir.
Solange die Fähre eine bessere CDI-Halterung hat als unsere Vespas erreichen wir bestimmt am Morgen Olbia auf Sardinien.
Tag 3 – Ankunft in Sardinien
Gerade noch lege ich meine Vespa in eine leichte Bergauf Kurve, warte auf den Kurvenausgang, um im dritten Gang voll durchzuziehen und genau in diesem Moment reißt mich eine Durchsage aus einem Lautsprecher aus meinen Träumen.
Es ist stockdunkel um mich herum, wo ich mich befinde, fällt mir erst nach einigen Augenblicken ein. Ein Blick auf meine Uhr und alles ist klar. Ich habe nicht verschlafen, es ist erst halb sechs am Morgen und ich liege in einer fensterlosen Kabine.
Die Vorfreude auf den heutigen Tag wächst und wächst und jetzt hält mich nichts mehr im Bett. Bald sind wir in Sardinien und meine Vespa wartet hoffentlich auf Deck 7 schon auf mich.
Auf dem Weg zur Cafeteria beobachte ich die Sonne wie sie im Dunklen Rot über den Horizont klettert – der Tag beginnt!
Meine Kollegen warten bereits mit Croissants und Cappuccino auf mich. Jetzt können wir völlig entspannt beobachten, wie unsere Fähre rückwärts in die Bucht von Olbia manövriert wird.
Unsere Vespas sind alle unversehrt und wir starten voll adjustiert in Richtung Ausgang. Bevor es losgeht, bekommen wir noch von einem Deutsch-Italiener vom Vespaclub Rupholding einen Beinschild-Banner geschenkt.
Bei der Ausfahrt aus dem Hafengelände bleiben wir wieder mit einem lockeren Zündkabel an der notdürftig fixierten Zündspule liegen. Gleich am Straßenrand wird das Problem behoben und wir fahren an den Golf von Arancia um in einer Cafeteria Energie zu tanken.
Danach führt uns unser erster Weg nach Norden, nach Porto Cervo. Durch eine traumhaft schöne Hotelanlage fahren wir runter in den Hafen.
Mit den Vespas parken wir direkt vor der Lambhorgini Garage und werden von Passanten etwas schief angeschaut.
Wir marschieren am Pier entlang und bestaunen eine Yacht nach der anderen.
Wir fragen eine Dame, ob sie von uns ein Foto machen könnte. Angeekelt von uns macht sie sich im Eilschritt davon, ihr Männchen eilt ihr hinterher.
Porto Cervo ist ein Hafen für Prominente, hier geben sich die Reichen die Hand, wie wir später erfahren haben, haben das heute vielleicht sogar Verstappen und Toto Wolf getan.
Wir starten unsere Vespas und setzen unsere Fahrt fort. Ab jetzt geht es nur mehr in Richtung Süden, bis wir morgen Abend in Cagliary, der Hauptstadt von Sardinien, sein werden.
Für heute haben wir noch mehrere Stationen eingeplant.
Zuvor aber setzen wir uns an eine Tankstelle und beobachten das Treiben. Wir hören Musik, tauschen Defekte Glühbirnen aus und schmieden Pläne.
Wir fahren für unsere erstes Mittagessen auf dieser Reise nach San Teodore und danach weiter in Richtung Orosei. Die Straßen der SS125 sind wunderbar zu befahren. Viele lang gezogene Kurven auf perfekten Asphalt machen richtig Spaß. Unsere Vespa haben alle in etwa die gleiche Leistung und unsere Gruppe ist nicht besonders groß. So gelingen uns die Überholmanöver oft gemeinsam und wir kommen zügig voran.
In Sos Alinos biegen wir in Richtung Küste ab und parken die Vespas direkt am Meer. Es weht ein angenehmer Wind, der Strand ist für Schwimmer gesperrt. Wir genießen die Abkühlung durch die Meeresbriese und setzen uns ins Restaurant für ein Getränk. Nach dem dritten Getränk entscheiden wir uns hier zu bleiben und buchen unsere Quartier 200 Meter landeinwärts. Sehr beruhigend ist, dass wir für unsere Vespas beim Hotel einen abgesperrten Bereich bekommen werden.
Wir füllen den ersten Liter 2T Öl in unsere Öltanks was bedeutet das wir 1000 Kilometer gefahren sind und unsere Frischölschmierung bestens funktioniert.
Morgen am Vormittag erwarten wir Regen. Das widerum bedeutet für uns ausschlafen und ohne Stress in den Neuen Tag starten. Wir freuen uns auf den zweiten Teil der SS 125 nach Cagliari. Eine kurvenreiche Bergstraße mit zwei Pässen erwartet uns.
Tag 4 – das (für mich) unentdeckte Land
Was wir bisher gesehen haben, hat uns begeistert. Die Insel hat eine beeindruckende Landschaft, damit meine ich nicht die unzähligen Strände und Buchten, sondern das Landesinnere, welches wir auf der SS125 durchfahren sind.
Aber alles der Reihe nach.
Die „Orientale Sarda“, wird oft mit der Route 66 verglichen, ist eine atemberaubende Straße entlang der Ostseite der Insel. Die Strecke führt über hunderte Kilometer im Landesinneren bis nach Cagliary.
Nach dem Frühstück warten wir den angekündigten Regen ab. Die Wolken hängen tief, die Sicht ist getrübt. Der Regen bleibt aber aus. Wir starten und fahren los. Das heutige Ziel ist das 250 Kilometer entfernte Cagliary.
In Orosei „erwischt“ uns dann doch noch der Regen, die Tropfen können wir aber an einer Hand abzählen – die erhoffte Abkühlung bleibt aus.
Nach dreißig Kilometer machen wir die erste Pause in Dorgali an der Tankstelle und tanken nochmals Energie, bevor es wirklich zur Sache geht. Wir besorgen uns ausreichend Wasser und Süssigkeiten für einen Energieschub, sollten wir ihn brauchen.
Von diesem Punkt aus beginnt der schöne und aufregende Teil der SS125. Wir können es kaum erwarten.
Der Asphalt ist rot und griffig, die Kurven sind langgezogen und können im vollen Tempo gefahren werden. Die Temperaturen sind angenehm und es ist extrem wenig Verkehr.
So eine schöne Strecke bin ich noch nicht gefahren. Landschaftlich vergleichbar mit den Pyrenäen, aber die Streckenführung der SS125 ist es, was es ausmacht. Als wir zum ersten Mal stehen bleiben, würden wir am liebsten umdrehen, um noch einmal diesen Teil fahren zu können.
Unseren beiden erfahrenen Sardinien-Kenner Klaus und Christopher können wir dieses Erlebnis hier verdanken.
Die Vespas laufen wie geschmiert, die Höhe macht ihnen überhaupt nichts aus.
Da wir keine Zeit mit Schrauben vergeuden müssen, können wir uns in Baunei in aller Ruhe einen Mittagssnack gönnen.
Obwohl wir bis jetzt die ganze Zeit am Fahren waren, sind wir kaum in Richtung Süden vorangekommen.
Als wir wieder auf den Vespas sitzen und den nächsten Teil der SS125 in Angriff nehmen, ändern sich nach der Durchfahrt eines Tunnels, die Temperaturen massiv. Eben noch angenehm, jetzt heizen uns 38 Grad entgegen. Um die Augen zu schützen, müssen die Visiere zubleiben.
Noch hundert Kilometer trennen uns vor unserem Tagesziel Cagliari.
Jetzt ist es keine einfache Fahrt mehr, extrem belastend sind die Temperaturen.
Unser Trinkwasser geht uns auch langsam aus. Gerne würden wir unsere Flaschen auffüllen, jedoch finden sich hier keine Tankstellen mit geöffneten Shops. Um diese Zeit und bei dieser Hitze arbeitet hier niemand. Nur wir sind unterwegs.
Wir fahren weiter auf der „alten“ Orientale Sarda. Die neugebaute Variante SS125 lassen wir rechts von uns liegen.
Absolut kein Verkehr, die Vegetation ragt deutlich in die Fahrbahn hinein. Trotz des Alters der Straße ist sie in einem guten Zustand. Kaum Schlaglöcher, keine gerissene Fahrbahn behindert unsere Fahrt.
In Muravera finden wir endlich ein geöffnetes Lokal. Sofort halten wir an, um uns an der Bar zu erfrischen.
Nach Cagliary sind es immer noch siebzig Kilometer. Ein Blick genügt und wir sind uns einig, wir haben keine Lust mehr. Es reicht für heute. Es ist zwar erst fünf Uhr nachmittags und trotzdem lassen wir es für heute bleiben.
Wir suchen uns einen Strand, gehen schwimmen und danach beziehen wir unser Quartier am Hang von Muravera. Im Pool, mit Blick auf die gesamte Stadt, lassen wir den Tag ausklingen.
Die Straßen, die wir heute gefahren sind, waren ein ganz besonderes Erlebnis und können wir nur weiterempfehlen.
Morgen geht es dann tatsächlich nach Cagliary und hoffentlich sehen wir die Flamingos!
Tag 5 – Das Ziel ist in Sicht
Heute ist Montag, es beginnt Tag fünf von zehn. Bisher hat alles funktioniert. Technisch gab es bisher nichts Aufregendes zu reparieren. Und noch wichtiger, wir alle sind gesund und jeden Tag voll motiviert.
Am Morgen setzen wir uns zusammen, um die Reiseroute für heute zu besprechen. Cagliari, die Hauptstadt von Sardinien, ist das ausgewählte Reiseziel für unsere Sardinien Reise. Die „Bastione di Saint Remy“ haben wir ausgewählt, um unsere traditionelle Tour-Aufkleber-Übergabe zu zelebrieren.
Da wir gerne mit der Vespa fahren überlegen wir, nach erreichen der Hauptstadt Cagliary noch weiter in den Süden zu fahren, um auf der Halbinsel Sant’Antioco an den Strand gehen zu können.
Bestimmt würden wir es zuhause bereuen, diese Möglichkeit ausgelassen zu haben.
Wir verlassen Muravera vollgetankt und fahren das letzte Stück der SS125 über den Berg Monte Genius. Wie der Name des Berge, ist auch diese Strecke einfach nur genial!
Sie erinnert mich an die Durchfahrt durch den Canyon du Verdon in Frankreich.
In die sehr lebendige Stadt Cagliari führt uns Klaus mit Präzision direkt vor die Bastione di Saint Remy, wo wir wie geplant unsere Vespa vor der majestätischen Treppe der Bastion in Reihe abstellen.
Wir ziehen unsere feschen Tourpolos an, stellen uns mit eingezogenen Bäuchen der Reihe nach auf und unser „sechster Mann“, die Drohne, macht die Fotos.
Richard, hält eine kurze Ansprache, bedankt sich bei uns allen fürs brave Fahren und bittet darum, die noch kommenden Kurven immer schön weit auszufahren und jeden noch kommenden Moment bewusst zu erleben.
Weil es gerade so schön ist, steuern wir jetzt die hundert Kilometer noch südlicher gelegene Halbinsel Sant’Antioco an und erfrischen uns am Penelope Beach.
Es ist Montag, siebzehn Uhr, am fünften Tag unserer Reise, wir sind definitiv am südlichsten Punkt der Reise angekommen und planen jetzt die nächsten Tage.
Am Mittwoch sollten wir wieder zurück in Olbia sein, um unseren Freund Geri für die geplante Motorbootstour zu treffen.
Und um Morgen, am Dienstag, einen nicht zu stressigen Tag zu haben, verlegen wir heute noch 150 Kilometer nach Norden in die Stadt Oristano.
Um voranzukommen, legen wir den Großteil der Strecke nach Oristano auf der Schnellstraße zurück.
Richard zieht das Tempo an, mit 110 Stundenkilometer fahren wir bergauf und bergab in Richtung Norden.
Wieder ist es mörderisch heiß, der Gegenwind fordert zusätzlich unsere Motoren.
Bei einem längeren Überholmanöver von mehreren LKW‘s gleichzeitig zieht die PX vom Klaus leicht zurück. Er ist mit der Hand sofort an der Kupplung und verhindert somit vermutlich im letzten Augenblick einen kapitalen Kolbenklemmer.
Der Teil der voranfahrenden Truppe bekommt am Funk vom Problem mit und fährt rechts ran in die nächste Pannenbucht.
Da der Motor nicht klemmt, nach einer Abkühlung auch gleich wieder anläuft und offensichtlich kein Problem zu sehen ist, fahren wir die restlichen Kilometer mit reduzierter Geschwindigkeit nach Oristano.
Wir sind froh unser heutiges Etappenziel nach 300 Kilometer mit Umweg an den südlichsten Punkt erreicht zu haben. Die möglichen Ursachen für den Beinahe-Klemmer auf der Schnellstraße werden wir heute beim Abendessen besprechen.
Morgen haben wir keine große Eile. Unterwegs an der erstbesten Tankstelle werden wir reparieren was erforderlich ist.
Ersatzteile sollten wir genug dabeihaben. Wenn notwendig ist auch ein Ersatzzylinder dabei, soweit kommt es hoffentlich nicht.
Tag 6 – der Schrauber Tag
Vor unserem Hotel sammeln sich früh morgens verschiedene Polizeieinheiten aus der Umgebung, um einer Demonstration unter anderem gegen Windräder Sicherheit zu gewährleisten. Während wir unser Frühstück genießen, bietet sich für uns die ideale Gelegenheit die verschiedenen Uniformen zu studieren. Für ihren Stil und Geschmack sind die Italiener über alle Grenzen hinweg bekannt, gerade deswegen verstehen wir nicht wie der Polizist von der Polizia Locale mit einem Volkswagen vorfahren kann. Der Mann muss in einem Alfa sitzen, alles andere passt einfach nicht.
Bevor wir losfahren, besprechen wir die heutige relativ kurze Etappe Richtung Nuora und weiter nach San Teodore an der Ostküste.
Der gestrige Vorfall mit dem Temperaturproblem und dem gerade noch verhinderten Motorschaden wollen wir heute auf den Grund gehen.
Nichts eignet sich besser für eine systematische Fehlersuche als unser heutiger Tag. Wir haben Zeit und können im Laufe des Tages in Ruhe verschiedene Einstellungen ausprobieren.
Nach unserem Frühstück verladen wir unsere Taschen auf unsere Gepäckträger und machen uns auf den Weg.
Wir fahren die ersten Kilometer im Schonbetrieb und machen bei einer Tankstelle mit Bistro halt. Für Kaffee, kühle Getränke und eventuell ein zweites Frühstück sollte, während der Reparatur, gesorgt sein.
Wie gestern Abend bereits ausführlich besprochen überprüfen wir die Benzinzufuhr, beim Benzinhahn beginnend. Das bedeutet Sattel und Gepäckträger abbauen, Benzin und Ölschlauch lösen. Wir heben den Tank raus und füllen den Sprit in einen der mitgebrachten Reservekanister. Beim Entleeren des Tanks sehen wir schon, dass der Durchfluss bei diesem Benzinhahn älteren Baujahres sehr gering ist. Mit unserem mitgebrachten Benzinhahn Demontage Werkzeug ist der alte bald ausgebaut und der neue verbaut.
Mit einem neuen Benzinschlauch bestückt verbauen wir den Tank. Die erste Probefahrt macht Klaus persönlich. Weit kommt er nicht, weil sich wieder einmal die provisorisch montierte CDI löst und der Kerzenkabel rausgerissen wird.
Jetzt reicht es dem Klaus, und bevor ihm endgültig der Kragen platzt, wird die CDI ohne Halterung direkt ans Gehäuse geschraubt. „Warum eigentlich nicht gleich so?“, lautet die Frage, die wir uns jetzt alle stellen.
Mit bestem Dank an den Hersteller feuert Klaus die zerbrochenen Teile der Halterung in den dafür vorgesehenen Behälter, in den Mülleimer, und setzt sich in den Schatten um seinen Frust mit Cola, Haribo und einer Zigarette abzubauen.
Richard übernimmt die zweite Testfahrt und seine Diagnose ist jetzt dann doch recht zufriedenstellend. In Absprache ändert er noch die Neben- und die Luftkorrekturdüse. Auch das Mischrohr wird noch der Original Bestückung des SI-Vergasers angepasst.
Bei zwei anderen Vespas werden unterdessen bereits die ersten Reifenwechsel vorgenommen. Bevor der Hinterreifen zu stark angefahren ist, tauschen wir gerne die Reifen untereinander aus. Das ist einer der wenigen Vorteile, die die Vespa gegenüber Motorrädern bietet.
Aber der größte Unterschied zwischen einer Tour mit Motorrädern oder mit Vespen ist, dass Vespafahrer nicht lange warten müssen, bis sie auf ihre Vespas angesprochen werden.
Genau das passiert uns hier auch. Im besten Fall, so wie auch jetzt, treffen wir auf einen Vespaclub.
Der obligatorische Bannertausch wird improvisiert. Wir haben Guiseppe vom Vespaclub Solarussa hier an der Tankstelle kennengelernt. Da er keinen Banner dabei hat fährt nach Hause, demontiert seinen eigenen Banner von seiner Vespa und schenkt ihn uns. Der Kontakt ist jetzt hergestellt und bleibt uns für zukünftige Begegnungen erhalten.
Obwohl es gerade gemütlich wird, müssen wir jetzt weiterfahren.
Die durchgeführten Änderungen an der angeschlagenen Vespa werden wir jetzt vorsichtig auf der vor uns liegenden Strecke testen.
Klaus übernimmt das Tempo, wir hängen uns hinten an. Dass er kein Vertrauen mehr in sein Fahrzeug hat, ist nicht zu übersehen. Trotzdem fahren wir fast hundert Kilometer mit dieser Abstimmung, es geht zügig voran.
Gerade jetzt wo wir glauben das Problem gelöst zu haben stoppt Klaus die Gruppe und fährt rechts ran.
Es geht nicht mehr, Zündausetzer, keine Leistung, Klaus hat jetzt keine Geduld mehr mit seinem Motor.
Wir sehen am Navi drei Kilometer vor uns eine Tankstelle, allen ist klar der Zylinder ist vermutlich am Ende. Was sonst soll die Ursache sein?
Als wir an der aufgelassenen und verwahrlosten Tankstelle angekommen erinnert uns die Situation an so manchen Endzeitfilm. Doch auch wenn alles dem Ende zu geht, ein Zylinder Tausch unmittelbar bevorsteht und keine Aussicht mehr besteht das heutige Tagesziel erreichen zu können, denkt immer einer noch an das Einfachste.
Haben wir wirklich an alles gedacht? Hat die Zündkerze die Aufregungen der letzten Tage überstanden?
Prophylaktisch tauschen wir das Billigste Teil an der Vespa und riskieren in der Gruppe eine weitere Testfahrt.
Jeder von uns merkt sofort, dass plötzlich ein ganz anderes Tempo gefahren werden kann.
Viele kleinen Anpassungen und zuletzt der Kerzenwechsel waren erforderlich, um dem Motor wieder Leistung einzuhauchen.
Mit einem super Tempo fahren wir die letzten fünfzig Kilometer an die Ostküste und sind froh das Problem gelöst zu haben.
Ob der Motor bis nach Hause halten wird, werden wir noch sehen. Immerhin sind noch mehr als tausend Kilometer zu fahren. Heute aber machen wir uns keine Sorgen mehr. Wir fahren an den Strand, suchen ein Quartier in San Teodore für die nächsten zwei Tage und freuen uns auf die Bootstour, welchen wir für morgen eingeplant haben.
Tag 7 – Albert, Gerry und Hermann der Außerirdische
Die Beschreibung für unsere Quartier hat gehalten, was sie versprochen hat. Im Zentrum, günstig, gepflegt und das Wichtigste kein Straßenlärm. Leider wurde uns nicht gesagt, dass direkt unter unserem Apartment ein Nachtlokal untergebracht ist. Bis zur Sperrstunde um zwei Uhr morgens war an schlafen nicht zu denken.
Trotz der kurzen Nacht treffen wir um zehn Uhr vormittags in Porto Cala Finanza ein und sind bereit für unsere Bootstour.
Unser Skipper heißt Gerry, kommt aus Wien und ist ein klassischer Auswanderer. Er lebt seit drei Jahren in Sardinien, hat ein eigenes Motorboot und verdient im Sommer als Skipper sein Geld. Klaus und Christopher haben ihn im Vorjahr kennengelernt und für heute diese spezielle Bootstour arrangiert.
Er hat Getränke und eine Jause auf das Boot mitgebracht. Super sympathisch begrüßt er uns und wir fühlen uns sofort wohl auf seinem Boot.
Wir erleben einen echt genialen Tag. Mit dem Boot erreichen wir in wenigen Minuten die schönsten Plätze in der Umgebung. Golfo Aranci, das Tavolara Archipel, die Schildkrötenbucht um nur ein paar Highlights aufzuzählen. Durch seine kommunikative Art werden wir auf eine österreichische 65 Fuß Segelyacht eingeladen. Wir bringen die Jause mit, Albert und seine Patchwork-Familie servieren uns Rotwein.
Wir sind herzlich willkommen, offensichtlich freuen sie sich über diese unerwartete Abwechslung, immerhin sind sie schon einige Wochen unterwegs. Ihr Ziel ist Denia in Spanien. Nach einer guten Stunde legen wir wieder ab und treffen in der nächsten Bucht auf Hermann, der mit seinem Boot vor zwölf Jahren nach einer gescheiterten Ehe in Hamburg losgesegelt ist und seitdem auf seinem Boot lebt. Er lebt von der Vermietung seines Hauses in Deutschland. Selbst kann er sich das Wohnen in seinem eigenen Haus nicht leisten, so ist er auf ein Leben auf seinem Boot beschränkt.
Gerry hat sich für uns den ganzen Tag Zeit genommen und uns wirklich einen unvergesslichen Tag geschenkt und das tollste wir haben wieder einmal interessante Menschen kennengelernt.
Erst kurz vor Sonnenuntergang kommen wir wieder zurück ins Quartier. Aus der Erfahrung der letzten Nacht wissen wir, vor zwei Uhr morgens werden wir nicht schlafen gehen können.
Dann machen wir eben auch das, was alle anderen hier auch machen und gehen aus.
Tag 8 – Der Traumstrand
Wir fünf sind jetzt schon eine ganze Woche unterwegs. Jeder Tag ist voller positiver Erlebnisse und schönen Erinnerungen. Dafür nehmen wir all die Strapazen, die so eine Tour mit sich bringt gerne in Kauf. Heute haben wir noch einen schönen Tag auf der Insel, bevor es morgen wieder anstrengender wird.
Wir starten in San Teodore, für unser heutiges Vorhaben, relativ spät. Es ist bereits zehn Uhr. Dem einen oder anderen ist die kurze Nacht deutlich anzusehen. Nach einem Kaffee und einem Croissant schaut die Welt schon wieder etwas anders aus und mit Zuversicht fahren wir in nordwestlicher Richtung nach Porto Torres.
Nochmals kommen wir in den Genuss eine wunderbare, schon fast magische Landschaft durchfahren zu können.
Es vergeht alles viel zu schnell. Immer wieder würde ich gerne stehenbleiben, um zu fotografieren oder einfach um innezuhalten.
Jedoch hält unser erster Mann das Tempo, für Verweilen bleibt uns heute keine Zeit.
Wir müssen zwar erst um 18 Uhr bei der Fähre sein, wollen aber zuvor noch ein Stück weiter in den Norden nach Stintino fahren, um an einen einzigartigen Strand zu kommen. Diesen Plan haben wir heute früh geschmiedet und daran halten wir uns auch.
Die vor wenigen Tagen reparierte Vespa plagt sich offensichtlich bei den bergauf Passagen. Bei einer Tankstelle besprechen wir, sollte uns ausreichend Zeit bleiben, werden wir den Auspuff demontieren, um durch den Auslass den Zustand des Zylinders und des Kolbens beurteilen zu können. Immerhin müssen wir in den nächsten zwei Tagen noch 900 Kilometer zurücklegen, um rechtzeitig nach Hause zu kommen.
Als wir Porto Torres hinter uns lassen, führt uns der weitere Weg über eine schmale Landzunge zum Strand von La Pelisa . Wir fahren auf Meereshöhe, und sind dem böigen Seitenwind erbarumgslos ausgeliefert. Die hier in Scharen aufgestellten Windräder sind im vollen Betrieb, mächtige Umspannanlagen bezeugen deren Effizienz.
Cala La Pelisa, ein bekannter Traumstrand mit weißem Sand, liegt eingebettet zwischen der Landzunge an der Nördlichen Spitze von Sardinien und der Insel Piana. Die Überreste eines Turmes liegen auf der kleinen vorgelagerten Insel della Pelosa an der westlichen Seite des Strandes. Die Brandung des offenen Meeres prallt daran ab, die Badegäste baden und die Segelyachten liegen geschützt dahinter.
Wir kommen aus dem Staunen nicht heraus, und vergessen völlig darauf den Auspuff abzumontieren, um den Zylinder beurteilen zu können. Stattdessen genießen wir die eine Stunde die uns noch bleibt, bevor wir zurück an den Hafen müssen.
An Hafen folgt alles einer gewissen Routine. Geduldig warten wir, bis wir auf das Boot gewunken werden. Mit Zweiträdern genießen wir ohnehin den Vorteil schneller auf das Boot gelassen zu werden als die Autofahrer.
Unsere Kabinen sind schön und sauber. Eine lange erholsame Nacht liegt vor uns. Die Erholung haben wir auch notwendig, immerhin steht uns morgen ein Großkampftag bevor.
In wenigen Stunden beginnt unser vorletzter Tag. Eine Tagesetappe von 420 Kilometer bis nach Bozen in Südtirol steht auf dem Plan.
Da wir den Motor heute nicht inspiziert haben und deswegen nicht genau wissen, wie es um ihn steht, bleibt es spannend.
Tag 9 – die Explosion auf der Autobahn
Ein Sattelschlepper nach dem anderen fährt über die Rampe und verlässt das Schiff. Das halbe Deck ist schon leer, bis wir endlich zu unseren Vespen gelassen werden.
Das Gepäck wird schnell verstaut und problemlos starten alle Vespas auf den ersten Kick.
Da wir noch in Sardinien vollgetankt haben, können wir direkt aus dem Hafengelände auf die Autobahn fahren. Wir ersparen uns dadurch viel Zeit. Zeit die wir heute gut gebrauchen können.
Wir wollen gleich ordentlich Meter machen, bis zu Mittag sind es noch 3 Stunden und bis dahin möchten wir die ersten 200 Kilometer gefahren sein.
Unser Tempo müssen wir an die in Kolonne fahrenden LKW‘s anpassen, was bedeutet, wir müssen deutlich schneller sein, um sie zügig überholen zu können. Die kurvenreiche Strecke fordert von uns volle Konzentration, die ungeduldigen Autofahrer, die von hinten drängeln machen uns die Aufgabe nicht einfacher. Über unseren Funk sprechen wir uns ab, wann wir überholen und wie lange wir auf der Überholspur bleiben. Alle Vespas halten den Druck stand. So wie es aussieht waren die Sorgen unbegründet, der havarierte Motor leistet was erforderlich ist.
Nach unzähligen Lastkraftwagen endet diese Karawane, wir können das Tempo zurücknehmen, nur mehr vereinzelt müssen wir überholen.
Plötzlich sehen wir nicht weit vor uns auf der Autobahn eine mächtige Staubwolke, danach Warnblinkanlagen, Bremslichter und wie Autos vor uns hektisch im Slalom, auf der Fahrbahn liegende Teile, ausweichen. Über Funk und über Handzeichen informieren wir uns und die Autofahrer hinter uns über diese gefährliche Situation. Die Autos hinter uns bremsen rechtzeitig und halten Abstand. Auch wir fahren im Slalom durch das Trümmerfeld. Rechts am Pannenstreifen sehen wir einen Klein LKW stehen dessen hinterer linker Reifen offensichtlich explodiert ist. Ein knapp hinter ihm fahrendes Auto wurde beschädigt. Zum Glück waren nicht wir mit dem LKW auf gleicher Höhe oder direkt hinter ihm, als es passiert ist.
Wir kommen alle durch, ohne unsere Reifen zu beschädigen und machen uns auf und davon so schnell es geht.
Zu Mittag haben wir trotz der Aufregung unsere ersten 200 Kilometer geschafft und bei Peschiera verlassen wir für heute die Autobahn. Die restlichen 200 Kilometer fahren wir dem Gardasee entlang bis nach Bozen.
In Lazise gehen wir Essen und machen danach einen Spaziergang entlang der Promenade.
Der See ist wunderschön anzusehen, der Himmel ist wieder wolkenlos und die Berge rundherum werden je weiter wir in den Norden fahren immer höher.
Als wir in dem nördlichsten Teil des Gardasees kommen, sind wir bereits in Südtirol.
Es geht sehr langsam und mühevoll voran, viel Stopp and Go Verkehr und die Müdigkeit nach dem Essen zwingt uns zu einer weiteren Pause, die wir gleichzeitig für das Betanken der Vespas nutzen.
Wir sprechen darüber, dass wir heute Abend, nachdem wir Bozen erreicht haben, noch weiter in Richtung Brixen fahren könnten, um es morgen etwas leichter zu haben.
Wir rechnen aber nicht mit der schwierigen Strecke, die noch vor uns liegt. Rücksichtslose LKW-Fahrer, welche uns und den Autos keine Möglichkeiten anbieten zu überholen, bremsen unser Vorankommen massiv.
Mehrmals teilt sich unsere Gruppe und dadurch verlieren wir viel Zeit. Thomas hadert mit seiner Kupplung und seiner schwergängigen Gangschaltung.
Erst um viertel sieben am Abend erreichen wir Bozen. An der ersten Tankstelle prüfen wir bei der Vespa mit dem Kupplungsproblem den Füllstand des Getriebeöls. Wir versuchen die einfachste Fehlerursache zuerst auszuschließen. Tatsächlich fehlt eine beträchtliche Menge Öl, welche wir sofort nachfüllen.
Welchen Weg das fehlende Öl genommen hat, um aus dem Getriebe zu entkommen können wir leider nicht feststellen.
Möglicherweise über die Motorentlüftung selbst, doch das hätten wir bemerken müssen.
Wie dem auch sei, ist es uns jetzt auch egal, denn die Kupplung beginnt, nach einigen hundert Metern, wieder an ordentlich zu arbeiten.
Zufrieden setzen wir uns in Bozen in ein Kaffee und gönnen uns ein kühles Getränk, freundlicherweise werden uns Tapas serviert.
Wir haben heute die ersten 420 Kilometer auf unserem Weg nach Hause zurückgelegt.
Für eine Weiterfahrt nach Brixen finden wir keine Motivation mehr. Alternativ planen wir morgen eine Stunde früher zu starten und buchen zugleich in Bozen das günstigste Quartier das wir bekommen können, welches trotzdem verhältnismäßig teuer ist.
Die Bewertung ist schlecht und sie hält auch was sie verspricht.
In dieser Wohnung mit mehreren Zimmern wohnen diese Nacht bereits ein paar junge Männer. Die sanitären Räumlichkeiten müssen wir teilen.
Aufgrund der Müdigkeit und mangels Alternativen nehmen wir alles so hin wie es ist. Es sind nur wenige Stunden, bis es wieder weiter geht. Jetzt heißt es nur noch waschen und ins Bett.
Eine Frage geht uns dann doch noch durch den Kopf und stört ein wenig die Nachtruhe.
Wird die Kupplung morgen die letzte Etappe halten? Oder braucht es da noch einen Eingriff?
Tag 10 – Der Moment
Ich liege unter der Vespa und sehe mit Entsetzen, dass an der Kurbelwelle die Nut für den Halbmondkeil aufgeweitet ist. Der Keil selbst ist stark deformiert, sitzt aber noch zum Teil in der Nut. Die Kurbelwelle ist jetzt eigentlich Schrott.
In diesem Moment kommt mir der Gedanke, dass die Kurbelwelle ziemlich sicher getauscht werden muss.
Wir sind kurz vor Brixen, an einer Tankstelle und es ist neun Uhr vormittags. Unser Plan heute früher loszufahren hat bestens funktioniert. Die für heute gesteckten 450 Kilometer bis nach Hause wollen wir unbedingt mit Zeitreserve schaffen, um am Abend noch mit Familie und Freunden unsere Ankunft feiern zu können und auch um morgen noch einen freien Tag zu haben bevor es wieder in die Arbeit geht.
Früh am Morgen kurz vor acht Uhr verließen wir unser bescheidenes Quartier, haben die obligatorischen Kaffees und Croissants getankt und uns auf den Weg gemacht.
Auf Nachfrage bestätigte Tom, dass seine Kupplung funktioniert. Wenige Sekunden später jedoch meldete er ein Totalversagen. „Sie trennt nicht mehr, ich kann nicht schalten“, so seine Schilderung während der Fahrt am Funk.
Wir fuhren noch einige Kilometer, bis wir in Klausen endlich eine geöffnete Tankstelle fanden. Dort arrangierten wir uns mit dem Tankwart und schlugen in einer Ecke unser Schrauber-Lager auf.
Bevor wir mit der Reparatur begannen, versuchte ich selbst noch mit der Vespa zu fahren, um eventuell dahinterzukommen, woran es liegen könnte. Vielleicht liegt ein einfacher Defekt vor und vielleicht muss nur das Kupplungsseil gespannt werden. Doch das metallische Schleif-Geräusch, wenn der Motor abgestellt wird, deutete auf ein enormes Unheil hin.
Wir demontierten die Anbauteile und der erste Blick auf die Kupplung erklärte woher die Schleifgeräusche kommen. Die Hammerflächen der Beläge waren mehrere Millimeter aufgestaucht und schliffen am Gehäuse. Daher stammte mit Sicherheit das Geräusch.
Als wir die Kupplung demontieren wollten stellten wir fest, da die Kupplungsmutter locker war, es benötigte keine Kraft sie zu lösen. Die Kupplung jedoch steckte am Kurbelwellenstumpf fest.
Mit zwei Hebel hebelten wir die Kupplung heraus und begutachteten das Ausmaß der Zerstörung. Sie war immer noch brennheiß, viel heißer als sie durch einen normalen Betrieb und durch die Kühlung des Öls eigentlich sein dürfte.
Mit unseren mitgebrachten Teilen könnten wir bestimmt wieder eine funktionierende Kupplung aufbauen, soweit war unsere bisherige Diagnose.
Jetzt komme ich unter der Vespa hervorgekrochen und berichte meinen Kollegen von der stark beschädigten Kurbelwelle.
Wir beraten uns und loten unsere Möglichkeiten aus. Wir haben für den Tausch der Kurbelwelle alle Werkzeuge dabei und auch eine neue Kurbelwelle liegt parat. Der Austausch der Welle wäre nicht das Problem. Die zwei Stunden Zeit, die wir dafür benötigen würden, dann eher schon.
Deswegen versuchen wir eine provisorische Lösung.
Den alten Keil kitzle ich mit einem spitzen Werkzeug heraus und ich muss sehr vorsichtig sein, dass der Keil nicht in das Getriebe fällt. Der neue Keil lässt sich, zu meiner Überraschung, nach einigen Versuchen und mit der Überzeugungskraft einer Pumpenzange wieder einsetzen.
Die Kupplung jedoch lässt sich nicht montieren. Kaum sichtbar, aber aufgestauchter Stahl verhindert die Montage. Mit einer Nadelfeile entferne ich mühsam eine Stauchstelle nach der anderen. Immer weiter lässt sich die Kupplung aufschieben, die Zuversicht, dass unsere Arbeit belohnt wird, wächst, von Feilhieb zu Feilhieb, immer mehr. Es funktioniert!
In der Zwischenzeit wird bereits das mit Eisenspänen verunreinigte Getriebeöl gewechselt.
Die Kupplung wird von Richard jetzt fertig zusammengebaut, montiert und wenige Minuten später unternimmt Tom die Probefahrt. Freudestrahlend kehrt er zurück. „Sie fährt sich wie neu“, so sein Kommentar.
In perfekter Teamarbeit haben wir in kürzester Zeit alles erledigt. Jeder von uns kennst sich mit der Materie aus, jeder Handgriff sitzt.
Jetzt ist es bereits elf Uhr und wir liegen weit hinter unserem Zeitplan. Über Brixen, Bruneck, Silian und Lienz in Osttirol wollen wir, um Zeit aufzuholen bei Spittal an der Drau auf die A10 auffahren.
In Toblach auf 1200 Meter Seehöhe machen wir eine Pause und genießen zum ersten Mal seit längerer Zeit wieder eine frische kühlere Bergluft. Eine Wohltat nach der Hitzeschlacht der letzten Tage. Gestärkt fahren wir an den „drei Zinnen“ vorbei und erreichen Osttirol und sind somit wieder in Österreich.
Die Vespas funktionieren jetzt wieder, bloß bei einer kündigt sich langsam ein Defekt am Auspuff an. Wir umgehen eine Reparatur, indem wir einfach das Tempo reduzieren. Ob wir jetzt Schrauben, um das Problem zu lösen indem wir einen Ersatzauspuff montieren, oder einfach etwas langsamer fahren macht am letzten Tag keinen Unterschied mehr aus.
Bevor wir auf die Autobahn verlegen, müssen wir eine gerissene, 3D gedruckte Vergaserwannenabdeckung austauschen. Montiert wird eine kleinere, aber bewährte Polini Abdeckung.
Die Autobahn Vignetten kleben wir auf die Kotflügel und die 230 Kilometer lange Strecke auf der Autobahn, die vor uns liegt, wird in Angriff genommen.
Bei Villach tanken und rasten wir und geben unsere Ankunftszeit zuhause bekannt, damit bei unserem Wirt der Tisch reserviert werden kann.
Unser letzter Stopp auf dieser Reise machen wir an einer Raststätte, um noch ein letztes Mal vollzutanken. Wir nehmen uns Zeit für ein Getränk, scherzen und traditionell ziehen wir zum letzten Mal unsere Tourpolos an. Dieser Moment bedeutet immer, dass die Reise bald zu Ende ist.
Ein Blick auf die Uhr sagt uns, wir müssen los. Alle sind bereit für die letzte Etappe, nur Christophers Vespa nicht. Beim Einlegen des ersten Ganges reißt das Kupplungsseil. In wenigen Minuten ist das neue Seil eingezogen, gespannt und feinjustiert. Jetzt aber kann uns nichts mehr aufhalten.
Wir versuchen die letzten 60 Kilometer, die noch vor uns liegen, zu genießen so gut es geht.
Um 19 Uhr kommen wir pünktlich und überglücklich bei unserem Wirten an. Eine große Schar an Freunden und Familienmitgliedern erwartet uns bereits. In diesem Moment sieht jeder nur noch das, worauf er sich am meisten gefreut hat. Ich natürlich auf meine Frau!
Unsere Vespas stellen wir in Reih und Glied auf und das letzte gemeinsame Foto wird von uns gemacht.
Wir lassen uns begrüßen und drücken. Es sind alle froh und glücklich, dass wir nach mehr als 2800 gefahrenen Kilometer unversehrt wieder zuhause angekommen sind.
Während dem Essen erzählen wir unsere Geschichten, blödeln miteinander und freuen uns über die vielen strahlenden Gesichter.
Jetzt aber ist es Zeit aufzubrechen, um die letzten Meter allein nach Hause zu fahren.
Wir verabschieden und umarmen uns, und fahren los.
Die Reise ist vorbei.
Genau in diesem MOMENT.